Giant Sand – Goods And Services / Backyard Barbeque Broadcast

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Goods And Services

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Backyard Barbeque Broadcast

Nie schien ein Live-Album weniger wertvoll. Warum eine Band auf der Bühne dokumentieren, die dessen als Zeugnis einer „Karriere“ gar nicht bedarf? Die ihre Arbeit immer als Work-in-progress-Prozeß begriffen hat und schon im Studio mehr Mut zur Improvisation aufbrachte als die meisten Kollegen vor Publikum? Und überhaupt: Waren nicht schon „Ballad Of A Thin Line Man“-1986 das Ergebnis einer einzigen Studio Nacht – und die dreitägige Zwei-Mann-Wüsten-Session „Long Stern Rant“ drei Jahre später ,“Live“-Alben im besseren Sinne?

Diese Lust an der Augenblicks-Idee, am Erratischen und Unvollkommenen war zuweilen erregend. Aber oft auch frustrierend. Er halte „die Tür immer offen und schaue einfach, was da reinkommt“, sagt Howe Gelb. Um im Bild zu bleiben; Manchmal hätte man sich schon einen Türsteher gewünscht, der die Materialfiille sichtet und gewichtet, der die Produktionswut des Giant Sand-Chefs in konzentrierte Bahnen lenkt und die hingeworfene Skizze auch mal ausmalt Mit anderen Worten: Etwas weniger „live“ bzw. Verachtung für das Instrument „Studio“ hätte ganz gut getan.

Und jetzt dies: Nicht nur eine Live-Platte, sondern gleich zwei am Stück! Sei einfach mal „notwendig“ gewesen, meint Gelb. Es gäbe halt Dinge, die „nur auf der Straße passieren, aber nie in einem Studio“. Die Bühne sei eben „ein ganz anderes Medium – direkt und interaktiv“. Und ein Trostpflaster für den rastlos Kreativen obendrein: Bisher, so Gelb, habe er immer erst viel später feststellen können, ob eine Platte was tauge, was sie überhaupt zu bedeuten hatte. Mit den Live-Alben habe er hingegen „lange genug gelebt, um zu wissen, was es damit auf sich hat – und daß sie wirklich gut sind“.

Zumindest macht es schon mal Sinn, beide Seiten von Giant Sand getrennt zu dokumentieren. Kernstücke des elektrischen, überwiegend in diesem Lande aufgenommenen Sets „Goods And Serrices“ sind die im Vergleich zum Original gut doppelt so langen Versionen von „Solomon’s Ride“ (von „Center Of The Universe“) und „Warm Storm“ (von ,JRamp u ) mit diesem schwindelerregend aufgelösten Thin Lizzy-Zitat. Zwischendurch gibt’s eine hübsch kranke Version von Carly Simons „You’re So Vain“ (Gastsänger: Vic Chesnutt) und das Denkmal für den inzwischen verblichenen Pappy Allen („Welcome To My World“). Lockerungsübungen.

Atmosphärisch die in sich geschlossenere Platte ist zweifellos das weitgehend akustische „Backyard Barbecue Broadcast“, mitgeschnitten bei zwei sommerlichen Gartenparties im Hinterhof einer kleinen Radiostation in New Jersey. Kernstück dieses Sets ist eine fast 23minütige „BBQ Suite , in der wiederum die perkussiv-rumorende, gestreckte und umarrangierte Version des großen „Romance Of Falüng“ auffallen muß. Dazu gibt’s spooky Instrumentals mit freundlicher Genehmigung der Friends Of Dean Martinez und generell die naheliegende Country-Schlagseite in bewährt-schräger Giant Sand-Manier. „Good & Gone“, eber von mehreren neuen Songs, findet sich in seiner Elektro-Ausgabe auch gleich nochmal auf „Goods And Services“ wieder. Typisch.

So was leistet sich vermutlich nur Howe Gelb, der sagt, die Leute sollten doch die Alben voneinander kopieren, wenn ihnen sein Spaß zu teuer werde. Was 1996 glatt der Fall sein könnte, kündigt der Mann doch allein für dieses Jahr so „fünf bis sechs Platten“ an. Und will sich „nicht darum sorgen, daß das zu viele sind“. Schließlich komme er aus dem „land of choice“. Ein echter Amerikaner also: Schmeiß viele Fliegen an die Wand, ein paar werden schon kleben bleiben!

Schönes Understatement. Aber vermutlich auch die Wahrheit über eine Band mit dem Prädikat „bisweilen wertvoll“.

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