Gillian Welch – Revival und Roseanne Cash – 10-Song-Demo :: Almo / MCA , Capitol / IRS

Gillian Welch Almo/MCA 3,5 IQ-SOIG QEIO Roseanne Cash Capitol.IRS Alle Jahre wieder: Eine „neue Emmylou Harris“ wird aufs Podest gehoben. Iris DeMent, 1994 zuletzt als amtierende Titelträgerin aktenkundig, schweigt seither. Prompt wird Newcomerin Gillian Welch als thisyear’s model hofiert. Pikant daran ist, daß Harris einen Welch-Song („Orphan GW“) auf ihrem letzten Album „fVrecking Ball“ verewigte, noch bevor es die Autorin jetzt selbst tun konnte. Was, zudem zum Auftakt des Debüts, gewiß nicht gegen das Selbstbewußtsein der Kalifornierin spricht Ob darausauch der Album-Titel gespeist wurde, muß vorerst unerfindlich bleiben. Will Welch damit Retro-Vorwürfe gleich offensiv entkräften? Minus und Minus ergibt Plus? Jedenfalls ist „Reviral“ eins gewiß nicht, nämlich ein bequemes Wiederkäuen vertrauter Versatzstücke. Vielmehr birgt der düstere, lakonische Fatalismus ihrer besten Songs eine verstörende Zeitlosigkeit: „Annabelle“ und „Tear My Stillhouse Down“ etwa könnten genauso den goldenen (also dunklen) Tagen eines Hank Williams wie auch der great depression der 30er und 90er Jahre entsprungen sein. Selbst ein vergleichweise lichter Track wie „Paper Wings“ schwebt metallen-zitternd hinfort. Wie Harris, hat Welch in der Bluegrass-Schule viele Stunden aufmerksam zugehört. Doch das, was sie daraus macht, geht weit darüber hinaus, zumal Produzent T-Bone Burnett den spartanischen Sound von Welch und Kompagnon David Rawüngs gewohnt geschmackssicher forciert bzw. behutsam erweitert. US-Großkritiker Robert Hilburn verglich Welchs knappe Texte mit der „körnigen Authentizität alter Schwarzweißfotos aus der Staubschüssel“. Etwas Besseres fällt mir auch nicht ein, auch wenn’s zu naheliegend ist: Gillian Welch hat früher Fotografie studiert. Roseanne Cash wurde noch nie als Harris-Wiedergängerin gefeiert. Da war schon immer allein der eigene, große Name vor. Anders als Harris, konnte sich Johnnies Tochter zudem schon früh auch als Songschreiberin emanzipieren, erst recht nach ihrer Trennung von Rodney Crowell mit Alben wie „Interiors“ (1990) und „The Wheel“ (1993). Ahnlich wie zuletzt Harris, bricht auch Roseanne Cash nach langen CBS- bzw. Sony-Jahren mit ihrem Capitol-Debüt „10-Song-Demo“ zu neuen Ufern auf – geschäftlich wie, bedingt, stilistisch. Bedingt deshalb, weil sämtliche Titel auch im ausproduzierten Kontext ihrer letzten Alben bestanden hätten. Die Idee, sie in erlesenen und gewiß nicht Low-budget-Demo-Arrangements zu präsentieren, ist dennoch keine schlechte. Cash kokettiert natürlich auch mit der vermeintlichen „Authentizität“ dieser Wohnzimmer-Produktion, zugleich verstärkt das intime Setting die bekennerhafte Attitüde und Perspektive der meisten ihrer Texte. Doch andererseits kommen die Pole ihres Schaffens – unverhohlene Sinnlichkeit und kaum selbstgefällige Auf- bzw. Abgeklärtheit ohne störendes Beiwerk zur Geltung. Am schönsten wohl in „Take My Body“: Hier ist eine reife, schöne, selbstbewußte, aber eben nicht makellose Frau, die ihren (potentiellen) Liebhaber sanft drängt, sich ihrer doch endlich zu bedienen, auch und gerade als „fuel for all your fantasies“. Fragt sich nur: Was hätte eine Madonna wohl daraus gemacht? Und: Welche Nashville-Frau findet als erste den Mut, Cashs „If I Were A Man“ zu covern? Oder, fast noch besser: welcher Mann? Von dieser verheißungsvollen Interpretation erhoffen wir uns nämlich für die Zukunft die wichtigen allerletzten Aufschlüsse. Jörg Feyer

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