Global Village von Klein-Josch-Müllrich

Liebe Gemeinde! Heute erreicht Euch unser Ruf aus den Tiefen des indonesischen Archipels, wo unser Einbaum in den letzten Monaten den Spuren verschollener Gamelan-Musik folgte. Im Augenblick ist uns jedoch nicht mehr so ganz lauschig zumute. Draußen vor dem Flughafen (wir warten auf unseren Flug nach Bombay) werden Christen und Chinesen gejagt Zwar sind wir schon Vorjahren aus der Kirche ausgetreten, und chinesisch sehen wir nur aus, wenn nach dem Genuß einer dieser fürchterlichen indonesischen Zigaretten die Augen ganz schmal werden. Doch niemand von uns verspürt Lust, diese Umstände einer hysterischen zehntausendköpfigen Menge zu unterbreiten. Nix wie weg hier.

Ruhig surrt das Flugzeug westwärts, das Chaos bleibt unier uns. Bombay rückt näher, darum jetzt zur Sache: Wollen wir doch mal schauen, was unsere alten Kollegen zum Jahreswechsel aus den Lautsprechern lassen.

Nummerlist HANNO DI ROSA,dem germanischen Publikum vor seiner Ade hing durch den letzten italienischen König besser als Hanno Rinne und einer der begnadeten Jazz-Gitarristen bekannt. Gemeinsam mit dem Kollegen Klein hoben sie Anfang der 80er Jahre in Berlin das wegweisende Projekt 1. Futurologischer Kongreß aus der laufe. Leider etwas zu früh, so daß erst die zweite Welle – ohne sie – zum Erfolg kam. Di Rosa zog es in die große weite Welt, von wo er sich im Laufe der 90er Jahre aus Ägypten mit zwei bemerkenswerten Klassikern zurückmeldete: „Nay By Night“ und „Nay By Day“, bis jetzt Status quo einer jeden Bauchtanzbeschallung. Inzwischen hat es ihn nach Senegal verschlagen, von wo aus uns sein neuestes Werk „Emigre“(Origin/Aquarius/FMS) erreicht Fazit: Griot meets Jazz & Jungle vom Feinsten. Herausragend: Ase Faye, Shooting Star der senegalesischen Trommlerszene und Griot-Sänger der ersten Garnitur. Maestro Andrea Venturoli, musikalischer Direktor des Nobelpreisträgers Dario Fo. 3,5

Alter Kollege Nummer 2: CHARLIE MARIANO, den wir bei unserer Ankunft in Indien anzutreffen hoffen, „Bangalore“ (Intuition SMD) ist der Titel seines aufwendig produzierten Albums, dem ein Sketchbook seiner Frau Dorothee beiliegt Auf der Besetzungsliste entdecken wir zahlreiche weitere alte Kollegen: Vbm Hindi-Filmsoundtrack-Tycoon Louis Banks über die erste Garnitur des Karnataka College of Percussion bis hin zum Veena-Virtuosen Dr. Ragavendra hat Mariano sämtliche indische Jazz- sowie Crossover-Musiker um sich versammelt, mit denen er seit 1978 den musikalischen Lebensweg teilt. Ein eindrucksvolles Dokument über Marianos wohl wichtigsten musikalischen Lebensabschnitt liegt vor. Fazit: India meets Jazzjazz, meets India. Wichtig, unbedingt anhören. 4,5

Nicht unterschlagen wollen wir an dieser Stelle einen von der „Weltmusik-Bibel „Blue Rhythm“ und den Berliner United One-Records (FMS) mit „Worldrhythms“ betitelten Sampler. Auch hier kommt wieder eine ganze Latte alter Kollegen zu Gehör. Von fast prähistorischen, überraschenden DDR-Amiga-Aufnahmen der Ethno-Pioniere Embryo über den Mitgründer der Dissidenten, Mike Wehmeyer, und seine Gruppe Rahala, den marokkanischen Gnaoua-Virtuosen El Hussaine Kili bis zum Belly-Dance-King Sayed Balaha ist das gesamte interessante Spektrum der Berliner Weltmusik-Szene vertreten. Besonders lobenswert: Der CD-Rom-Teil des Albums mit ausführlichen Informationen über die einzelnen Artisten. Fazit: Berlin meets the world. Dufte, ey, kommt voll jut! 3,0

Weiter geht’s mit, erraten, noch mehr alten Kollegen! Hier nur einige: Richard Horowitz (Soundtrack zu „Der Himmel über der Wüste“), Don Cherry (Vater von Neneh). Die beiden und etliche andere Größen der New Yorker World-Szene hat der Sintir- und Vokalvirtuose HASSAN HAKMOUN um sich geschart Hakmoun hat eine ungewöhnlich neue Stimme und versteht es, auf geniale Weise seine marokkanischen Wurzeln mit allen möglichen anderen afrikanischen und westlichen Stilen zu verbinden. Obwohl man viele der benutzten musikalischen Elemente zu kennen glaubt, klingt sein Album „Life Around The World“(Exil/lndigo) frisch und modern. Daß Hassan Hakmoun der überragende Virtuose des nordafrikanischen Sintir-Basses ist, sei nur am Rande erwähnt. 4,0

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