Graham Coxon – The Golden D

Die Soloplatte, der Freibrief. Der leidliche Zwang zum Kompromiss im Kollektiv programmiert den Kreativstau insbesondere jener Künstler, die nur zur Arbeit in der zweiten Reihe verdammt sind – eine Begrenztheit, von der Graham Coxon, Gitarrist von Blur und damit das Alter Ego Dämon Albarns, wohl ein Lied singen kann. Schon einmal hat Coxon deshalb dem nicht Band-kompatiblen Ausdruck Bahn gemacht und ein Soloalbum aufgenommen. „The Sky Is Too High“ hieß das 1998 veröffentlichte Werk, und es präsentierte Coxon als gar nicht ruppigen Folk-Hippie, der Nick Drake schätzte und Syd Barrett beschwor.

Coxons zweites Solowerk „The Golden D“ gefallt sich in ganz anderen Gewändern: Punkrock gibt’s, atemlos, brachial, ungeniert. Coxon beschwört die Stooges, die Kennedys und macht auch vor dem US-Crossover der 80er Jahre nicht halt – die Riffs von „Jamie Thomas“ und „Leave Me Alone“ hätten auch Anthrax nicht von der Bettkante geschubst.

Solch wütendes Gebaren zitiert Coxon natürlich aus der Perspektive des britischen Kunststudenten, die krachigen Eskapaden sind Stilübungen, Skizzen eines Genres, wie Coxon es versteht Indes, der Künstler verfügt über genug direkte Emphase, um die Etüden mit Blut und Schweiß zu füllen.

Und Blut und Schweiß gibt es reichlich. Coxon müht sich stets um Intensität, kreiert Lärmräume, in denen er mit immer neuen Phonrekorden die eigene Katharsis herbei zu schreien versucht. Er findet seine Klimax schließlich in der explosiven Saitenmediation „The Lake“ – die hätte auch Thurston Moore gefallen, bevor dessen Bedarf an Dezibeln bei Zimmerlautstärke gedeckt zu sein begann. Klingt unglaublich? Ist unglaublich.

Unterbrochen wird die wilde Fahrt nur durch das sehr fragile „Keep Hope Alive“, das noch einmal Nick Drakes gebrochene Traumlandschaften entwirft, und den beschwingt-funkigen Jazz-Jam „Oochy Woochy“, bei dem Coxon zum Saxofon greift. All das ist nicht mühsam errungenes Liedgut oder künstlerische Schwerstarbeit, sondern die Momentaufnahme frühzeitig ins Leben entlassener Findelkinder, die unter den gespannten Augen ihres Paten ein Eigenleben entwickeln. Der Topfschnitt von Blur: wieder tob.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates