Graham Parker :: The Bootleg Box

Großartige, günstig abzugebende Live-Aufnahmen auf sechs CDs

Die Einleitung zu „I’ll Never Play Jacksonville Again“ lohnt allein die Anschaffung dieser Preziose: sechs CDs mit Auftritten des großen Graham Parker samt diverser Begleitbands – eine CD, die sich dem Schaffen in kleinen Clubs widmet, enthält nur vier Stücke, eine andere Aufnahme stammt aus dem Jahr 1975. Das Klangbild ist nicht ganz so schön wie bei einer High-End-Produktion oder einem Tonträger von ECM – manchmal hört man im schönsten Song das Gerede von Nicht-Zuhörern.

Bei Parker zählen: die handliche Melodie, die aggressive Gitarre, der zündende Refrain, das Vitriol, das Herzblut. Der bissige Engländer hat wahrscheinlich selbst vergessen, wie viele Alben er aufgenommen hat, wo überall er aufgetreten ist, wie viele Live-Destillate es gibt. Nur der Moment ist von Bedeutung, die Überraschung, wenn er ein Stück von „Heat Treatment“ spielt oder „Sheena Is A Punk Rocker“ mit Frank Black. Sein Amalgam aus Bona-fide-Rock und weißem Soul liegt manchmal näher an Springsteen als an Costello, und längst lebt Parker auch in Amerika. Aber ganz unamerikanisch grantelt und spöttelt er über die Sitten und Zeiten; Liebeslieder vermeidet er meistens, doch eines singt er gern: „Love Is A Burning Question“. Das kommt hier auch öfter vor.

Die Box sieht aus wie ein Bootleg, nicht wie teuer angeschmuddeltes Industriehandwerk, und kostet wenig Geld. Wir müssen froh sein, dass wir diesen Schatz kaufen können. (floating world) arne willander

The Soft Boys ****¿

Underwater Moonlight

Zwei frühe Alben von Robyn Hitchcocks Band mit Zusätzen

Robyn Hitchcock erklärte mal einem Interviewer, eigentlich habe er mit den Soft Boys die Fusion aus „Abbey Road“ und „Trout Mask Replica“ – zweier Platten von 1969 – realisieren wollen. Dass er auch noch einer der größten lebenden Byrds-Fans diesseits von Tom Petty war, leugnete er nie. „The Queen Of Eyes“ war auf „Underwater Moonlight“ seine Hommage an diese Band. Und dann war da auch noch sein Idol Syd Barrett, dessen Gesamtwerk er inzwischen längst für sich privat (teils im Netz zirkulierend) eingespielt zu haben scheint. Barrett inspirierte offenbar „I Got The Hots For You“, Hitchcocks ziemlich perverse Vorstellung von Brautwerbung. Anklänge an „Sun King“ von „Abbey Road“ sind da zwischendurch auch mal zu hören.

Als psychisch etwas derangiert hatte er sich umgehend auf dem ersten Song von „A Can Of Bees“ (***¿) vorgestellt. Früher Beefheart-Blues inspirierte „The Pigworker“, „The Rats Prayer“ klingt ein wenig wie „Spotlight Kid“-Outtake, und samt der vertrackten Rhythmik ist auch „Sandra’s Having Her Brain Out“ eine Verneigung vor dem Meister – zwischendurch übrigens mit kleinen Reminiszenzen an die Beach Boys. Seine immerwährende Verehrung für den da schon lange zurückgezogen im Dakota Building lebenden Hausmann John Lennon dokumentierte er mit einer psychedelisierenden Cover-Version von „Cold Turkey“. Einen musikalischen Spaß gestattete er sich mit dem Doo-Wop-Stück „Have A Heart Betty“ und der Rolling-Stones-Parodie „Rock’n’Roll Toilet“, jetzt zwei von neun Zugaben zu „A Can Of Bees“. Das Psycho-Drama „Heartbreak Hotel“ inszenierte er etwas anders als John Cale – als kleinen Horrorfilm.

An vergleichbar schaurige Visionen knüpfte auf „Underwater Moonlight“ wenig später „Old Pervert“ an. Von der Plattenfirma gefeuert, wurde das eine No-budget-Produktion: Für alle Sessions in mehreren Studios insgesamt zahlte die Band nach konservativer Schätzung von Robyn Hitchcock damals 800 Pfund aus eigener Tasche. Am Ende fand man ganze zehn Songs der Veröffentlichung wert. Nicht im Traum dachte irgendwer bei dem Quartett, dass dieser seinerzeit komplett anachronistische und gegen den Zeitgeist musizierte Gitarrenpop es zu ganz beachtlicher Wertschätzung zumal bei amerikanischen Kollegen (Replacements, R.E.M.) bringen würde.

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