Grimes

Art Angels

4AD/Beggars

Mainstream mit DIY-Ästhetik: Grimes wagt das Experiment

„Ich wollte deinen Schrei aufnehmen, wenn du den Orgasmus erreichst“, heißt es in „Scream“, dem dritten Stück auf der neuen Grimes-Platte. „Aber dann habe ich auf die falsche Taste gedrückt/ Jetzt ist dieser Moment unwiederbringlich verloren/ Und du liegst da/ In deinen erkaltenden Körpersekreten/ Das befriedigt mich nicht.“ Eine schöne und allseitig ansprechende Stelle, denn wer hätte beim Geschlechtsverkehr nicht auch schon einmal auf die falsche Taste gedrückt? Leider ist der Text nur sehr schwer zu verstehen, denn er wird nicht von Grimes gesungen, sondern von ihrem Gast, der taiwanesischen Rapperin Aristophanes, auf Mandarin dargeboten.

„Das befriedigt mich nicht“: Das denkt man sich dann auch selber noch öfter, wenn man das neue Grimes-Album hört, das erste nach ihrem Durchbruch mit „Genesis“ im Jahr 2012 und das erste, das sie unter den Fittichen des Jay-Z-Managements Roc Nation produziert hat. Von der vernebelten Witch-House-Ästhetik ihres Frühwerks ist hier ebenso wenig zu hören wie von dem Goth-inspirierten R&B von „Genesis“; stattdessen gibt es Countrypop, ke$haeske EDM-Knaller und leicht bleierne Die-Party-ist-zu-Ende-Balladen.

Als künstlerisches Karriereexperiment ist das interessant. Auf „Art Angels“ will Grimes einerseits Teil des musikalischen Mainstreams werden, andererseits aber gerade auch in dieser Position ihre
Do-it-yourself-Ästhetik bewahren. In der praktischen Umsetzung führt das allerdings dazu, dass sie melodisch und dramaturgisch formidable Pophymnen verfasst, die zu großen Hits werden könnten – und diese dann aber derart entkörperlicht produziert, dass jeder Hitparaden-Appeal sogleich wieder zerkrümelt. Die sinistre Verschrobenheit ihrer Underground-Tage, zu der diese Art Klangbild passt, fehlt ihr inzwischen aber auch. So wirkt „Art Angels“ insgesamt unentschlossen, oder wenn man es positiv wenden will: wie eine Platte eines unsortierten Talents, das auf dem Weg nach ganz woanders ist.