Grizzly Bear – Veckatimest

Die Zeiten, in denen so genannte Independent-Künstler auf drei Akkorden herumdengelten und dann alles auf einem Anrufbeantworter aufnahmen, sind lange vorbei. Wenn einen heute irgendwo neue, ambitionierte, erhabene, komplexe Musik ergreift, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie — der Technologie sei Dank — in irgendeiner mietpreisgebundenen Kleinstwohnung aufgenommen wurde. „Yellow House“, das letzte Album des Quartetts Grizzly Bear aus Brooklyn, entstand immerhin im Haus der Mutter des neben Daniel Rossen zweiten Sängers/Liedschreibers Ed Droste. Das nach einer Insel am Cape Cod benannte „Veckatimest“ haben sie nun sogar tatsächlich unter anderem in einem Studio aufgenommen. In den Catskill Mountains. Doch es klingt deswegen keineswegs nach „Music From The Big Pink“. Schon eher nach „Smile“ oder „Song Cycle“. Van Dyke Parks und Brian Wilson sind ja schon seit einiger Zeit die liebsten Referenzen des Pop-Künstlers- von Joanna Newsom bis Animal Collective. Und jetzt kann man auch ziemlich genau bestimmen, wie weit die beiden ihrer Zeit damals voraus waren. 40 Jahre nämlich.

Auf „Veckatimest“ treiben Grizzly Bear das Spiel mit den End-Sechziger-Referenzen nun auf die Spitze. Die Gitarren erinnern stellenweise – vor allem im Eröffnungsstück „Southern Point — an Arthur Lees Love, die Harmonien schwirren zwischen Beach Boys-Perfektion und Crosby, Stills ii Nash-Wärme, und Rossen beherrscht zudem den Van Dyke Parks eigenen Vokalspleen. Doch die Sixties-Nostalgie ist nur eine Spur, der man auf diesen glasklar klingenden Tracks folgen kann. Gerade Rossens Stücke werden im Verlauf immer vertrackter, ufern sogar aus in lange Instrumentalpassagen, die an Pop-Avantgardisten wie Jim O’Rourke oder eben Animal Collective denken lassen. Aus einem ätherischen Popstückchen wie „Fine For Now“ etwa entwickelt sich ein dynamischer, Atem raubender Post-Rock-Jam, „You Wait For The Others“ geht in die entgegengesetzte Richtung, startet als sprödes Experiment und endet in erhabener Schönheit.

Das sublime Chorarrangement hierzu lieferte — wie auch einige der Streicherparts auf diesem Album —der isländische Komponist Nico Muhly, der in diesem Jahr schon am nahezu vollkommenen Antony & The Johnsons-Werk „The Crying Light“ beteiligt war. Auch an der kammermusikalischen Klasse von „Foreground“, das nun die erhabene Pop-Preziose beendet, hat er seinen Anteil.

Wenn man „Veckatimest“ auflegt, wird selbst die eigene Kleinstwohnung zur Kathedrale.

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