Haruki Murakami :: Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki

Der neue Murakami erschien hierzulande Mitte Januar, pünktlich zum 60. Geburtstag des Autors. Es ist der erste Roman, den er nach „1Q84“ veröffentlichte. Dieses fantastische dreiteilige Epos sprengte nicht nur ein ums andere Mal die Imagination des Lesers, sondern in seiner Heimat auch alle Verkaufsrekorde und wurde im Rest der Welt ebenfalls zum Bestseller. Erstaunlich eigentlich, wo Murakamis Schreiben bei aller westlichen Prägung doch stark von den Feinheiten der japanischen Sprache getrieben zu sein scheint. Selbst in der Übersetzung bleibt immer etwas Fremdes in diesem Murakami-Sound, den die Übersetzerin Ursula Gräfe kreiert hat und dem wir alle verfallen sind.

Der Titelheld des neuen Romans, Tsukuru Tazaki, war in seinen Teen­agerjahren Teil einer scheinbar unzertrennlichen Clique – zwei Mädchen, drei Jungs – im japanischen Bagoya. Da er der Einzige war, der keine Farbe in seinem Nachnamen trug und von sich glaubte, im Gegensatz zu seinen Freunden kein großes Talent zu besitzen, fühlte er sich stets als Außenseiter und war zugleich stolz, trotz seiner Mängel zu diesem Freundeskreis zu gehören. Doch eines Tages – er studierte bereits in Tokio, wollte später Bahnhöfe bauen – brachen seine Freunde den Kontakt ab, Tsukuru fiel in tiefe Depression und entwickelte eine Bindungsangst, die sich dann aber aufzulösen scheint, als er mit Mitte 30 die zwei Jahre ältere Sara kennenlernt. Die bittet ihn aber, seine Vergangenheit aufzuklären, bevor sie über eine gemeinsame Zukunft nachdenken. Da wird Tsukuru seinem Vornamen („der, der etwas macht“) endlich gerecht und sucht seine alten Freunde auf, um die dunklen Geheimnisse der Vergangenheit aufzuklären.

Murakami scheint sich von der epischen, surrealen Erzählweise seiner letzten Romane abgewandt zu haben und kehrt mit dieser einfachen Geschichte zur traurig-schönen Poesie seiner frühen Prosa zurück. Kühl und doch berührend zeigt er fünf Menschen, die jeder auf seine Weise aus der Tradition (Familienname) in die Individualität (Vorname) treten, beleuchtet Freundschaft und Liebe, Begehren und Schuld.  (Dumont, 22,99  Euro)

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