Heinz Rudolf Kunze – Halt

Man musste sich Sorgen machen um den laut Plattenfirma „größten Wortverschachtier Deutschlands“. Wo würde die Metamorphose enden? Was kommt als nächstes? Heinz Rudolf Kunze, schon früher Träger manch fragwürdiger Monrur, avancierte zum Chamäleon. Die offensichtliche Unzufriedenheit über das eigene Äußere führte bisweilen zu verwittertem Plunderbart und lustigem Afrika-Käppchen. Noch dazu saß der früher so ingeniös Zornige zu oft in den falschen Sälen. Ein leichtfertig inszeniertes Konfrontationsgespräch mit dem sich an seiner eigenen Unwissenheit besaufenden Stuckrad-Barre gab schon fast Anlass zu Mitleid.

Doch scheint Kunze, Verfasser einer ausgezeichneten Randy-Newman-Studie, Musical-Übersetzer und „Expo“-Redner („Meine Welt 2020″), derartige Gefilde immer wieder zu suchen. Gleichermaßen den Zeitdruck. Jedes Jahr“, so mahnte Kunze bereits vor geraumer Zeit, „soll es ein neues Album geben.“ Nun ist die Frist wieder abgelaufen, der Abgabetermin eingehalten. Das Ergebnis: eine Pop-Platte. Kein Experimentierwahn, keine Überraschungen, auch kein Schweinerock. Stattdessen gibt es Lürig (Heiner, Musik) für Lyrik (Heinz, Texte). Radiotaugliche Lieder mit verständlichen, etwas gewählteren Formulierungen für die große kaufende Allgemeinheit Für jene, die Rosenstolz noch für verträumt und Hartmut Engler für ’n richtigen Kumpel hält.

Fast scheint es nun so, als hätte sich Kunze damit abgefunden, dass mit verkopft-sperrigen Werken zwar etwas Ruhm, jedoch keinesfalls Münze zu verdienen ist. Da bleiben alte Zeiten außen vor. Waren „Draufgänger“ und „Richter-Skala“ noch Kunzes Emanzipationsversuche als Gitarrist (und, ja: Rocker), so ist „Halt“ ein deutlicher Schritt zurück in Richtung „Alter Ego“ ausgerechnet das Album, das der Osnabrücker ob seiner Leichtfüßigkeit noch heute als Sorgenkind betrachtet und bedauert. Doch Leichtigkeit darf sein.

Gelegentlich wird zwar auch auf „Halt!“der Zeigefinger gereckt (Nazis sind als töricht anzuprangern, Talkshows nicht minder), doch damit ist es auch genug. Lieber hören wir „Sie müssen mich nicht mögen“, die ernüchterte Nachfolge von „Männergebet“, oder das ungehaltene Jesus Tomahawk“. Und schon lange ist es her, dass eine Kunze-Abhandlung über die Liebe sich so rührend angehört hat wie „Wo war’n wir stehen geblieben“.

Eine Kompromissplatte also, nur ohne die verquasten literarischen Einsprengsel wie noch auf „Korrekt“, wo die Trilogie „Der trojanische Pferdedieb“ belustigte. Die Quelle zu den neuen Outtakes indes wird diesmal konsequent auf einen weiteren Lyrikband verlagert. „Klärwerk“, so eine Randnotiz, erscheint im Frühjahr. Da besteht Klärungsbedarf!

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