Heinz Rudolf Kunze

Klare Verhältnisse

Grandiose Wiedererweckung mit Rock-Songs und Balladen

Man glaubt keinem Sänger, wenn er zu seinen Liedern gleich Interpretation und Gebrauchsanweisung liefert. Heinz Rudolf Kunze, dem man einmal fast alles glauben mochte, war mit seinen letzten Alben (mit seinen ungefähr acht letzten Alben!) nicht glaubwürdiger geworden. Andererseits muss es etwas damit auf sich haben, wenn er notiert: „Die Kaiser Chiefs gewinnen den 1. Preis bei einem The Who-Imitationswettbewerb mit einem deutschen Trinklied.“ Oder: „Deutsche Melancholie trifft New Yorker Gitarrenrock mit Erich Kästner als Frontmann bei den Strokes.“ Oder: „Meine definitive und verliebte Antwort auf Duran Duran.“ Auch nicht verblasener als das, was wir Gewohnheitsrezensenten uns so einfallen lassen.

Naturgemäß verstehe ich zwar, was Kunze meint — und höre es doch anders. „Sowas Ähnliches wie Liebe“, die Antwort auf Duran Duran, scheint mir auch ei ne Antwort auf Neil Young zu sein (die Kunze ja 1992 mit „Draufgänger“ geben wollte). Und Erich Kästner als Frontmann bei den Strokes, der „Guten Tag Traurigkeit“ singt, heißt eigentlich Blumfeld (die Kunze ja schätzt). „Dank“, „der Versuch eines provisorischen Grabsteins“, steht tatsächlich „irgendwo zwischen Udo Jürgens und John Lennon“, also bei „Alles gelogen“ und „Ich hab’s versucht“.

Die Platte „Klare Verhältnisse“ erinnert aber vor allem aufs Schönste an den deutschen Songschreiber Heinz Rudolf Kunze — mit allen Manierismen, allen Wortspielen, allen Klugscheißereien, allen himmelstürmenden Melodien und allem Sentiment. Es ist auch ein Rock-Album und eines mit — wie man so sagt — eingängigen Stücken: „Die Welt ist Pop“, „Biedermeier“, „Ohne euch“, „Gute Reise“. Seit „Wunderkinder“ flutschte es nicht mehr so launig und unverrätselt. Dort aber, wo es ein wenig verrätselt und schwierig wird, bei „Überlegungen einer reifen Frau“, „Die Köpfe in der Kühltruhe“, „Woran man mit mir war“ und „Find mich eines Morgens“, ist Kunze sogar auf der Höhe seiner frühen Meisterwerke „Reine Nervensache“und „Der Schwere Mut“. Orgel und Pedal Steel nehmen den Songs die Nähe zum Schlagerhaften, und Heiner Lüng leistet Aufregendes an der elektrischen Gitarre.

So ist Kunzes Geschenk an sich selbst zum 50. Geburtstag auch das prächtigste Geschenk an jene, die ihn für einen begnadeten Autor halten. Und das sind – noch immer – nicht nur Hartmut Engler und ich.