Heinz Rudolf Kunze – Protest
Wenn der Infozettel der Plattenfirma mit einem Zitat von Thomas Mann beginnt und im Folgenden die Worte „künstlerischer Ausdruck“ und „eindrucksvolle Poesie“ vorkommen, dann weiß man, es ist wieder soweit: ein neues Album von Heinz Rudolf Kunze! Begleitet wird „Protest“ von einem Gedicht namens „Ich protestiere“, in dem es unter anderem heißt: „Was früher mal Rockmusik war/ Besteht jetzt aus plärrenden tätowierten Geschlechtsteilen/ Ich protestiere.“ Aber es wird noch viel schöner: „Ich will achtbare Gegner/Kleines Latinum könnte nicht schaden/ Wenn man auf dicke Hose macht.“ Kunze hat schon immer protestiert gegen das Unabänderliche, er hat sich in all den Jahren an nichts gewöhnt, und das ist das eigentlich Tröstliche an seiner Musik: dass einer wie er einfach immer weiter macht, den Bettel niemals hinwirft – ob man ihm zuhört oder nicht.
Das erste Stück auf „Protest“ heißt „Längere Tage“, es ist ein recht gewöhnliches Pop-, wenn nicht fast Schlager-Stück, das mit seiner Forderung nach mehr Licht und der reizenden Melodie dann aber doch verflixt eingängig ist. Von diesen erst unscheinbaren, dann einnehmenden Liedern sind Kunze diesmal gleich etliche gelungen. Auch bittersüße Liebeslieder wie „Sie geht vorbei“ und launige Spötteleien wie „Aber Menschen?“ oder „Du bist so süß“ schreibt er immer noch mit einer lässigen Hand, doch manches Mal scheitert er auch grandios – vor allem, wenn er rocken will. „Dagegen“ ist so doof, dass man nicht weiß, was mehr nervt — die stumpfen Gitarrenriffs oder Kunzes scheußlicher Pseudo-Press-Gesang. Auch „Astronaut in Bagdad“ ist weder originell noch sonstwie interessant, da helfen keine zerfetzten Soldaten und „Tod/Brot“-Reime.
Am anrührendsten sind sowieso die Stücke, in denen sich zwar auch wieder der innere Pfaffe im Popstar regt, aber auf subtilere Weise verzweifelt eher am eigenen Unvermögen als an der Welt: die Utopie „Auf einem andern Stern“, die Bestandsaufnahme „Frei zu sein“, auch „Möglich“. Und wo gibt es sonst schon noch solche Verse: „Meinen Leib und meine Seele bring‘ ich dir ans Bett/Jedes Bild, in dem ich fehle, pinselst du komplett/ Wünschen darf man ohne Schranken, hoffen nur bedingt/ Dich zu lieben ist ein Danke, das im Schmerz gelingt“? Eben.