Hermann Bräuer – Haarweg zur Hölle :: Poserposse

Nach Chuck Klostermans essayistischer Ehrenrettung des Hair Metal in dem wundervollen „Fargo Rock City“ kommt hier nun endlich die epische Würdigung des bestgehassten Genres der jüngeren Musikgeschichte, und dann auch noch ausgerechnet aus der Dritten Welt des Sleaze, Deutschland. Es gab keine einzige hiesige Hair Metal-Band, die von Belang gewesen wäre, und insofern ist es nur adäquat, wenn Bräuer seinen Helden von Love Stealer nach dem bekannten Schülerband-Gehampel ein paar gloriose Konzerte nebst einem langsam an „Axl Rose Disease“ erkrankenden Sänger und schließlich sogar einen Major-Deal gönnt. Aber dann treten, wie schon so oft beklagt (vgl. „Rock Star“, „The Wrestler“ etc.), Nirvana auf den Plan – und die Party nimmt ein ziemlich unrühmliches Ende, als auf einmal introvertierte, psychisch labile Holzfäller den Laden stürmen. Mit den Aufräumungsarbeiten sind die „Poser“ bis heute beschäftigt. So richtig werden die Goldenen Zeiten hier nicht wiederbelebt, dafür kümmert sich Bräuer zu wenig um Kulisse und Zeitkolorit, und auch die ohnehin eher ironisch angekündigte „Geschichte einer Generation“ liefert er hier nicht, dafür nimmt er Andie, Kampfname: Rrexx Rroncalli, und seine Kombattanten nicht ernst genug. Er nutzt jede Gelegenheit, um aus den toupierten Stretch-Jeans-Trägern in violetten Lederstiefeln humoristisches Kapital zu schlagen. Andererseits ist das die große Stärke dieses Buches: sein burlesker, genregemäß nicht sonderlich feinsinniger, infantiler, aber allemal durchschlagender szenischer Witz. (7,95 Euro)

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