Holly

Nick Waterhouse

Wenn man Amy Winehouse als „retro“ bezeichnete, wie soll man denn bitte schön diesen junge Mann etikettieren? Im Vergleich war die gute Amy dagegen ein Double von Rihanna. Jack White? Wahrscheinlich ein Futurist, und Mayer Hawthorne bleibt die Rolle des Waisenknaben. Man verzeihe dem Rezensenten die simple Formulierung: Dieses Album haut einen einfach um! Weit weg von unserer Zeit gebärdet sich das zweite Werk von Nick Waterhouse, als hätte man es bereits Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre eingespielt. Die Studios beherbergten damals sicher auch wesentlich schlechtere Musiker als diese! Auf einem Soul-Allnighter dürfte der eine oder andere Titel des 27-jährigen Amerikaners die Originale locker ausstechen. Alles echt, alles analog – und nie geschmäcklerisch! Nichts, aber auch gar nichts ist dabei ins Hier und Jetzt transferiert.

Das charakteristische Saxofon-Intro von „This Is A Game“ weist den Weg zur Tanzfläche eines verrauchten Clubs im Besitz der Mafia. Eine schneidende Gitarre vereint Surf und Chicago-Blues, die Orgel tost wie bei Booker T. & The M.G.’s oder bei Billy Preston. Zugegen ist auch der Geist eines Screamin‘ Jay Hawkins, aber Nick Waterhouses leicht nölende, leicht grantelnde Stimme sticht nie hervor, sondern schmiegt sich organisch in die klassischen, mit satten Backing-Vocals ausgestatteten Arrangements. Der Mann mit der Buddy-Holly-Brille entstammt der Garage-Rock-Szene von Orange County, wollte aber schon bald Sängern wie Solomon Burke und Sam Cooke nachstreben – oder Strippenziehern wie dem Produzenten Bert Berns, Komponist von „Twist And Shout“. All das versteckt er jetzt hinter einem Coverartwork, das eher zu einer Shoegazer-Band der späten 80er-Jahre gepasst hätte. Bilitis meets Primal Scream – darauf muss man erst einmal kommen!

Und selten ist Trübsal lakonischer besungen worden als in der herrlich schleichenden Soulnummer „Let It Come Down“:“If there’s gonna be rain tonight, let it come down …“

Mo‘ Better Blues. (Innovative Leisure/Alive)