Hot Chip :: In Our Heads

Die Samples der Londoner sind interessant, aber etwas gestrig

Neue Musik von der erhitzten Platine! Elf Lieder meist mittleren Tempos, in denen sich melancholischer Männergesang mit Discobeats paart. Der melancholische Männergesang wird mal im Chor, mal im vocoderverzerrten Einzelfalsett dargeboten; darunter hüpfen und humpeln die Discobeats in historisch beziehungsreicher Weise. So beginnt „Motion Sickness“ wie „Analogue Bubblebath“ von Aphex Twin, dann klingeln heitere Kuhglocken darüber, und ein Mann klagt über Schwindelanfälle. Wie das miteinander zusammenhängt? Das ist die Frage.

Besonderes Augenmerk legen Hot Chip dieses Mal auf die originelle Verwendung von gesampelten Stimmfragmenten. In „Look At Where We Are“ wird der Refrain durch eine Melodie aus hinauf- und heruntergepitchten „Oho“- und „Aua“-Geräuschen ersetzt. Ältere Hörer werden dabei an die Muppet-Show denken: Ein kontrovers diskutierter Bandleader erzeugte seine Lieder dort durch das kontrollierte Verprügeln kleiner Fellwesen, die mit Geschrei in verschiedenen Tonhöhen reagierten. Au! Au! Auuuuu! In „These Chains“ sind die Stimm-Samples von Rauschen umflackert, was an die apokalyptischen Klangbilder von Burial erinnert; in „Flutes“ erhebt der synkopisch geklöppelte Grundrhythmus sich über Kindergesang einer knisternden Schellackplatte; auf „Let Me Be Him“ röhrt ein „oha-ohe-olé-olé“-Fußballchor.

Das ist alles nicht uninteressant, man fragt sich aber trotzdem, was es eigentlich soll. Gerade der Gebrauch der Gesangs-Samples wirkt hier überaus gestrig – weil er jeder inhaltlichen Logik entbehrt. Man vergleiche ihn mit der hoch reflektierten Weise, in der zuletzt etwa James Blake, Grimes oder Julia Holter eigene und fremde Stimmen zum musikalischen Material gemacht haben – und zum Ausdruck ihrer künstlerischen Subjektivität. Bei Hot Chip will der Eklektizismus sich gar nicht erst zu einer subjektiven Logik abrunden, sondern bescheidet sich aufs bezugslose Montieren isolierter Ideen. Bei aller technischen Experimentierlust, bei aller unbestreitbaren musikalischen Intelligenz fehlt der Londoner Band jede Art von Charisma, jeder Ausdruck von klanglicher und kompositorischer Individualität. (Domino) Jens Balzer

Beste Songs: „Flutes“, „These Chains“

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