Hubert Kah :: So 80s Presents

Compilation mit Stücken nach der Neue-Deutsche-Welle-Phase

Das ist nur ein guilty pleasure: wie der Mann mit dem zu kleinen Anzug, dem Frankensteinkopf und der Softporno-Stimme die Glieder verrenkte und durch die „ZDF-Hitparade“ tanzte. Hubert Kah war Schwabe, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und er nutzte die kurze Chance. 1982 hatten er und seine Band zwei Erfolgs-Singles, die von der Firma Polydor (der alten Heimat von Freddie Quinn und Caterina Valente) als deutsche New Wave verkauft wurden, Neue Deutsche Welle.

„Rosemarie“ und „Sternenhimmel“ waren freilich reiner Schlager, etwas elektrischer als Karel Gott. Und sie wären garantiert kein Grund, diese neue Doppel-CD zu erwähnen, die 29 Remixe, Maxi- und Spezial-Versionen vereint – von denen 26 aus den Jahren 1984 bis ’89 stammen, der Post-Polydor-Phase, in der die Hubert-Kah-Band zwar in Deutschland kaum wahrgenommen wurde, dafür mehr in Japan und den USA. Aus der Zeit, in der ihr etwas gelang, was die sogenannte NDW nie geschafft hatte: den besagten Schlager zu transzendieren, die deutsche Melancholie in Luftschichten zu pusten, in denen sie großer (oder auch einfach kleiner) Pop wurde.

Verantwortlich dafür war Michael Cretu, der Vielgescholtene, der 1984 einer der Stammproduzenten der gerupften Truppe wurde. Und mit ihr glorios den bittersüßen Sphären-Song-Sound entwickelte, den er später – in überdramatisierter Form, als phantomhafter Gegenspieler von Dieter Bohlen – mit dem Mönchsprojekt Enigma und der Sirene Sandra ganz an die Chartspitze brachte (am berühmten „Maria Magdalena“ hatten zwei Hubert-Kah-Mitglieder mitgewirkt). Die vielen raren Stücke und Versionen auf dieser Compilation sind natürlich ein Technikmuseum, aber was für eins: Unterwasser-Echolot-Geräusche, digitale Rohrglocken, übersteuerte Sirenen, Sequencer, die wie Sexsklaven gehorchen, später gesampelte Schreie und – in den Mixes für den US-Markt, wo die Huberts in der Tat zählbare Hits hatten – unglaubliche Perkussionsorgien, bei denen die Maschinen rauchen und auch nach vier Minuten noch irgendwo ein neuer Bums aus der Sound-Datenbank gezogen wird. Es war die Zeit, in der Falco mit einem „Amadeus“-Remix auf die amerikanische Nummer eins kam, in dem seine Stimme nicht zu hören war.

Wer die Überwindung und Geduld aufbringt, sich das hier wirklich anzuhören, wird hinterher wissen: Jenseits von britischer Depeche Mode, Italo Disco und Sisters Of Mercy gibt es eine verlorene Musik aus den 80er-Jahren, die Space, Beat, Pathos, Melodie und Düsternis auf eine Art ausbalancierte, die unerreicht bleibt. (Soundcolours) joachim hentschel

Giant Sand ***¿

The Love Songs

Und andere Frühwerke von Howe Gelb in neuen Editionen

Im Vergleich zum Tod sei das Leben doch ziemlich surreal, erklärte Howe Gelb in einem Vers von „Trickle Down System“. Inspiriert ist dieser gospelig gefärbte Song mehr als nur ein wenig von Dylans „Knocking On Heaven’s Door“. Von demselben hatte er für das Album „Swerve“ (****) auch eine epische Version von „Every Grain Of Sand“ aufgenommen. Knapp acht Minuten lang improvisierten Giant Sand ihre Deutung um einiges amateurhafter als Dylan selber das Demo, Ton und Botschaft des frommen Liedes dabei aber ungemein intensiv und präzise treffend.

Dafür waren Howe Gelb und die Seinen bekannt und mittlerweile auch recht beliebt. Nur zu ähnlich ambitionierter Professionalität wie die Kollegen von Freakwater, Uncle Tupelo oder den Jayhawks mochte er sich auch später selten durchringen. In den Liner Notes zur Jubiläums-Edition des 1994 im Haus von Daniel Lanois produzierten Albums „Glum“ (***¿) klärt er darüber auf, dass er hier den „Luxus“ erlebte, dass diese Songs erstmals überhaupt in seiner „so-called recording career“ nicht auf Magnetband aufgezeichnet wurden, das schon vorher für andere Aufnahmen benutzt worden war.

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