Hugo Race – Chemical Wedding :: GLITTERHOUSE/EFA

Darf man in diesem Fall überhaupt noch mit der Vokabel „Blues“ hantieren, ohne Ignoranten unnötig zu verschrecken und vermeintliche Genre-Kenner gewaltig in die Irre zu führen? Kaum. Und wenn doch, muß sogleich angefügt werden, daß beide Seiten am besten erst einmal sämtliche (Vor-)Utteile über Bord werden, bevor sie „Chemical Wedding“ eine Chance geben.

Hugo Race, Kosmopolit aus Australien, arbeitet mit seiner Band True Spirit weiterhin konsequent an einer freien, radikalen Interpretation des musikalischen Urgestrüpps, die weniger an dessen klassischen Formen und Authentizitätsschwüren interessiert ist, um so mehr aber an seinen Sujets und (Klang-)Farben. Und vor allem an deren Fortschreibung. Das nekrophil anmutende, noch ganz reduziert inszenierte „Stranger In My Eyes“ ist die gelungene Ouvertüre zu einem Album, das offen und hermetisch zugleich wirkt – fragil und doch wie in Stein gemeißelt. Mal wogt und marschiert die Musik („Great White“), dann bleibt sie förmlich stehen in der Luft, als monströse Klangtapete für die Beschwörungen, die Race einer gewissen „Chiara“ zuteil werden läßtSelbst da, wo die Songs noch halbwegs vertrauten Akkord-Progressionen folgen – das kaltschnäuzige „Can’t Find A Reason“ ist ein gutes Beispiel – bleibt genügend Rest-Irritation.

Was nicht zuletzt in der Instrumentierung begründet liegt, mit der The True Spirit hantieren: Tabla, Sitar, Banjo, Harmonium, allerlei Percussion-Kram und diverse elektronische Hilfsmittel (Loops inklusive) brechen vertraute Klang- muster auf, um die Songs auf wenig betretenem Terrain festzuzurren. Trotz vieler Sound-Details bleibt nur wenig bloß Selbstzweck, weil sich alles dem Formwillen der Formation unterzuordnen hat. Selbst der Sänger Hugo Race hält sich – wohl auch notgedrungen – angenehm zurück; zuviel „Ausdruck“ würde den ohnehin zuweilen recht kryptischen Texten um Genese und Apokalypse auch nicht guttun.

Die Gemeinde ahnt also schon, was sie an „Chemical fVedding“ haben wird. Novizen aus beiden eingangs erwähnten Fraktionen fangen am besten mit dem letzten, weil zugänglichsten Track („Füll Moon“) an. Alles weitere kommt dann von selbst. Oder auch nicht.

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