Im Kopf von Bruno Schulz :: Maxim Biller

Eine schmale Novelle von netto nicht mal 70 Seiten (aufgepimpt mit einigen Zeichnungen des Titelhelden), in der Maxim Biller sich in die Welt des 1942 in seiner Heimatstadt Drohobycz von einem Nazi auf offener Straße ermordeten galizischen Malers, Zeichners und Geschichtenerzählers Bruno Schulz begibt. Wir begegnen ihm im Jahr 1938. Er arbeitet als Kunstlehrer und träumt vom großen literarischen Durchbruch, der ihm ermöglichen könnte, vor der sich anbahnenden Katastrophe zu fliehen. Seine erste in deutscher Sprache verfasste Erzählung will er an Thomas Mann schicken und beginnt einen Brief an den Zauberer. Er müsse ihn darüber informieren, dass in Drohobycz ein Reisender aufgetaucht sei, der sich als Thomas Mann ausgebe, beginnt Schulz sein Schreiben, „aber allein die Geschichten, die er erzählt – von seiner abgetragenen Kleidung und dem starken Körpergeruch abgesehen, der ihn umgibt -, machen ihn verdächtig“. Aus diesem romantischen Doppelgängermotiv entspinnt sich eine apokalyptische Vision, in der sich Verfolgung und Holocaust schon ankündigen. Aus dem Brief wird ein Zwiegespräch mit der eigenen Angst.

Maxim Biller gelingt es hier, sowohl den fantastischen Sensibilismus von Bruno Schulz zu fassen, als auch darüber hinauszuweisen. Da schwingt die Verschränkung von Mystizismus und Moderne mit, die man aus den Erzählungen von Isaac Bashevis Singer kennt, aber auch die leichthändige Souveränität von Bernard Malamud. Mitunter fühlt man sich bei dieser allegorischen, dunklen Prosa auch an die Dystopien des französischen Autors Antoine Volodine erinnert. Die Vorfreude auf den im nächsten Jahr erscheinenden neuen Biller-Roman steigt. (Kiepenheuer & Witsch, 16,99 Euro)

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