Imitation Of Life :: Jim O’Rourke produzierte das Werk der Multiinstrumentalistin
Das Video zu „Resurrection“ beginnt wie einer der Filme des koreanischen Regisseurs Kim Ki Duk, wo hinter der Kulisse meditativer Trostlosigkeit immer auch ein unaussprechlicher Horror lauert: Inmitten einer Vorstadttristesse sitzt in den Scheinwerferkegeln eines Autos ein Mädchen in einem Rollstuhl. Die Sängerin Eiko Ishibashi bietet ein Bild des Jammers, selbst der Arm hängt in einer Schleife, ihr Gesang klingt wie ein Rehkitz, das nach seiner Mutter ruft. Eine sacht gezupfte akustische Gitarre und eine sanft gestrichene Violine unterstützen das Klagelied. Doch dann kommt Bewegung ins Spiel. Schlagzeug und Bass setzen ein, die Stimmung hellt sich auf, ein komplexer Folkpopsong beginnt, das Mädchen verlässt den Rollstuhl, unternimmt einen Strandspaziergang. Die Auferstehung führt zur Glückseligkeit.
„Imitation Of Life“ ist das erste Album der japanischen Multiinstrumentalistin und Songschreiberin, das außerhalb Japans erscheint. In ihrer Heimat ist Eiko Ishibashi dagegen schon recht bekannt -nicht zuletzt wegen ihrer Zusammenarbeit mit Avantgarde-Musikern wie Merzbow, Keiji Haino oder Seiichi Yamamoto. Und der bärtige Gitarrist, der am Ende des „Resurrection“-Videos auftaucht, ist nicht etwa der Philosoph Slavoj Zizek, auch wenn er so aussieht, sondern Jim O’Rourke. Der musikalische Tausendsassa hat „Imitation Of Life“ produziert und ist ein festes Mitglied von Ishibashis Band The Already Dead -und man hört das in fast jedem Song.
Schon bei „Introduction“ ist alles im Fluss. Ein quecksilbriges, kaum zu fassendes Stück Musik, dass im Jazz ebenso zu Hause ist wie in einer leichten Neo-Klassik und dem gehobenen Erwachsenen-Pop. Ryuichi Sakamoto fällt einem dazu ein, David Sylvian oder Jun Mijaké. „Long Scan Of The Test Tube Sea“ erinnert dezent an die ineinander verzahnten Läufe und Melodien von Gastr del Sol -ein Duo, das Jim O’Rourke in den Neunzigern mit Dave Grubbs betrieb -, auch wenn die Musik nun deutlich zugänglicher und opulenter ist.
Im Mittelpunkt dieses ungeheuer raffinierten Albums steht allerdings immer das außergewöhnliche Pianospiel und der zarte, aber nie süßliche Gesang von Eiko Ishibashi. Es ist eine sehr komplexe, bisweilen ausgesprochen perfektionistische „Imitation des Lebens“, die wir hier hören. Man könnte sich an Fusion oder gar Progrock erinnert fühlen. Aber der Reichtum dieser unkategorisierbaren Songs lässt alle Einwände verschwinden. Pure Schönheit. (Drag City) JÜRGEN ZIEMER
Lily & Madeleine