Ingrid Michaelson – Everybody

Schade. Wo ist ihr „librarian chic“ (so ihre Selbsteinschätzung) abgeblieben, mit dem sie noch so frech auf dem Cover des „Billboard“ posierte? Immer noch ohne Label, aber längst mit einem Abo auf „Grey’s Anatomy“-Einsätze. Vielleicht hat Ingrid Michaelson ja nur ihre eigene Kernbotschaft beim Wort genommen – und dies ist jetzt eben „The Way I Am“.

Nachdem die halbwegs unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte der iTunes-Queen aus Staten Island zur Genüge durchgekaut ist, kann sich die Aufmerksamkeit langsam wieder zur Musik verlagern. „Ridiculously catchy“ nannte die „New York Post“ ihre Songs – und das sind sie oft genug auch auf „Everybody“, das als eine Art erwachsene Fortsetzung des Vorgängers „Girls And Boys“ angepriesen wird. Dabei verhebt sich Michaelson gleich kräftig an ihren Liebes-Metaphern („Soldier“), trimmt vor allem Pop, pflegeleicht Die New Yorkerin —jetzt ohne Brille — bleibt die eingängige Alternative zu Tori oder Aim.ee das superöde Titelstück gnadenlos auf Sing-A-Long, und manche Stücke nerven auch einfach nur in ihrem endlosen Emo-Vibrato mit der sich überschlagenden Stimme („Once Was Love“, „Locked Up“).

Doch offenbart der kratzfreie Folk-Pop der 29-jährigen New Yorkerin, der kaum zufallig in einer Pullover-Reklame landete, durchaus auch lohnendere Momente. Im zeitlupenhaften „Incredible Love“ entwickelt Michaelson vorzeigbare Torch-Qualitäten, „Mountain And The Sea“ hat Schmiss (und die richtigen Metaphern), durchs schaumgebremste „So Long“ wehen so schön sanft ein paar Bläser, und das verblüffend ähnlich gelagerte „Are We There Yet“ befragt gängige Sentenzen von Glück, Hoffnung, Ankommen, bis sie sich letztlich schwer (an)geschlagen gibt.“This is too much for me to hold“, barmt Ingrid Michaelson – bleibt dabei aber auch mit „Everybody“ die pflegeleichte Alternative für alle, die etwa Tori Arnos denn doch für ein bisschen zu anstrengend und durchgeknallt halten und Aimee Mann für ein bisschen zu schwermütig. Auch ohne Brille.

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