INXS :: Kick

Die zehn Alben der Band um Sänger Michael Hutchence

Andrew, Jon und Tim Farriss dachten sich nicht viel dabei, als sie ihre Band 1979 umbenannten. The Farriss Brothers klang langweilig, jemand schlug INXS vor. Mit Exzessen hatten die Australier eher wenig zu tun, ihr Sänger Michael Hutchence war noch keine 20 Jahre alt und gerade erst der Schule entkommen. Weder die folgende Weltkarriere noch die Tragödien waren abzusehen. Jetzt erscheinen alle zehn INXS-Alben remastered (ohne jegliche Bonus-Tracks). Bei den ersten Alben hört man tatsächlich einen klareren Sound, aber das eigentlich Faszinierende ist: Man kann auf diesen zehn Alben auch den Aufstieg und Fall eines Rockstars hören, der vielleicht der letzte seiner Art war.

Auf dem Debüt „INXS“ (1980, 1/2) konnten sie sich noch nicht recht entscheiden zwischen Pub-Rock und New Wave. Kirk Pengillys Saxofon spielte neben den unvermeidlichen Keyboards eine tragende Rolle, während Hutchence seine Stimme noch suchte. Das letzte Stück hieß vielleicht nicht zufällig „Wishy Washy“. Auch „Underneath The Colours“ (1981, 1/2) und „Shabooh Shoobah“ (1982, ) waren keine Meisterleistungen, doch die endlosen Tourneen zahlten sich langsam aus – die Australier merkten, was beim Publikum ankam und was nicht. Ihre Melodien wurden gefälliger, poppiger auch, Hemmungen hatten INXS nicht. „The Swing“ (1984, 1/2) beginnt mit „Original Sin“, einem unverschämt eingängigen Popsong, den Nile Rodgers produziert hatte; auf dem Cover sind sie frisiert wie Duran Duran, statt nach Pub klang jetzt alles nach funky Großraumdisco. Eine relativ geschmackvolle Großraumdisco immerhin.

Und es funktionierte – noch besser dann bei „Listen Like Thieves“ (1985, 1/2), das mit „What You Need“ den ersten klassischen Hutchence-Hit abwarf: sexy und tanzbar und gerade so aufdringlich, dass es noch nicht billig klang. Der „NME“ nannte die Band trotzdem „INXcusable“, aber das war jetzt egal. Sie hatten ihren Stil gefunden, und sie verließen sich immer mehr aufs Charisma des Sängers. Auf „Kick“ (1987) steht er im Vordergrund, treibt die Songs mit seinem fordernden Gesang voran, während sich die Farriss-Brüder immer mehr zurücknehmen. Jeder Song auf „Kick“ sollte ein potenzieller Hit sein, hatten sich INXS ungeniert vorgenommen, und das hört man auch: Alles ist auf den Effekt angelegt, alles ist überlebensgroß, und Hutchence gibt den Zeremonienmeister. Bei dem noch heute unwiderstehlichen „Need You Tonight“ hört man fast den lasziven Hüftschwung, mit der Edelschnulze „Never Tear Us Apart“ brachte er Millionen Mädchen zum Weinen. Dass hinter dem schönen Gesicht ein dunkles Geheimnis stecken musste, konnte manschon ahnen, wenn man einmal genau bei „Devil Inside“ hinhörte.

Aus der australischen Jungs-Band wurde ein Pop-Phänomen, der Ruhm bekam Hutchence nicht. Er liebte Kylie Minogue und Helena Christensen, versuchte sich als Schauspieler und bekam mit seiner Band dann doch noch ein anständiges Albumhin, „X“ (1990, 1/2), dessen Hit-Single „Suicide Blonde“ allerdings schon scharf an der Grenze zur Selbstkarikatur war.

Beim schlappen „Welcome To Wherever You Are“ (1992, ) hatten sie ihr Mojo endgültig verloren, auch „Full Moon, Dirty Hearts“ (1993, 1/2) kam nicht recht in Schwung, die Band nahm sich dann erst mal eine Auszeit. „Elegantly Wasted“ (1997, ) hätte das große Comeback werden sollen, doch INXS fehlte die Leichtigkeit, mit der sie einst eher schlichte Songs zu großen Verführungshymnen aufstrapsten. Der Charme war weg, und damit der größte Reiz dieser Band.

Am 22. November 1997 starb Michael Hutchence in Sydney unter Umständen, die dem Bandnamen noch einmal gerecht wurden – er erhängte sich, mit Drogen und Alkohol vollgepumpt, im Ritz-Carlton-Hotel. Ob es ein erotisches Versehen war oder Selbstmord, wurde nie geklärt. Jahre später kürten die Farriss-Brüder in einer Castingshow den Elvis-Imitator J. D. Fortune zu ihrem neuen Sänger, doch die Band war ohne Hutchence nicht mehr INXS. Und so bleibt dieser eine Augenblick vor 24 Jahren, in dem Michael Hutchence der Held aller Herzensbrecher war: „So slide over here and give me a moment …“ (Universal) birgit fuss

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