Ja König Ja

dto.

Musikproduktion D.D. / Indigo

Gerade hat man die Grenze überschritten, zum ersten Mal sieht man sich in dem fremden Land um, und überrascht stellt man fest, daß es hier ganz ist wie zu Hause: Die Häuser haben Wände, die Autos Räder, die Menschen Köpfe, die reden und essen, und McDonald's oder Michael Jackson gibt es sowieso überall.

Doch der erste Eindruck täuscht. Nach einigen Tagen weiß man, daß die Häuser klein sind und kalt, daß die Autos stinken und stottern, und daß die Menschen nicht nur andere Gesichtszüge und eine andere Sprache haben, sondern sogar andere Gesichtsausdrücke und andere Themen, ja, daß sie sogar über dieselben Themen (Häuser, Autos etc.) ganz anders reden. Denn die Globalisierung ist entgegen McDonald’s und Michael Jackson immer noch Fiktion, ein fremdes Land ist wie gehabt ein fremdes Land, mit der Welt jenseits der Grenze hat es meist nicht mehr gemein als den groben Schein.

Ähnlich verhält es sich auch mit der zweiten CD von Ja König ja: Man glaubt, das alles zu kennen, aber der erste Schein trügt Der erste Schein ist dieser: Lieder sind da zu hören, in einem leichten, friihlingshaften Sound, mit deutschen Texten über Katzen und Kakao und Rotkohl. Die Besetzung – akustische Gitarre, Baß, Cello und Percussion – läßt etwa an holzspielzeugkaufende Akademiker denken; die Vergangenheit des Komponisten- und Texter-Duos Jakobus Siebeis und Ebba Durstewitz scheint weitere klare Bezüge zu liefern: Jakobus gehörte früher zu Das Neue Brot, einer manchmal rappenden Pop-Band der sogenannten Hamburger Schule, Ebba kann auf eine klassische musikalische Ausbildung zurückblicken. Da zudem für das vor zwei Jahren erschienene Debüt-Album Kritiker den Begriff „Kammer-Pop“ begründet haben, möchte man auch die neue Platte einfach durchwinken: Sehr schön, macht nichts, bis demnächst, ich geh‘ jetzt zum Aerosmim-Konzert. Aber dann läuft diese Musik weiter.

Und entfaltet sich. Wuchert. Wo kommt das alles her? Ein Gitarren-Intro erinnert an Lovin‘ Spoonful, eine Melodie an einen US-Folk-Songwriter der 60er Jahre, ein Percussion-Arrangement könnte von den Beach Boys stammen, die Leichtigkeit der Rhythmen hat etwas Brasilianisches, obwohl Momente tatsächlich an schwere Kammermusik denken lassen. Musik aus einer anderen Epoche also, den 60er Jahren oder dem 19. Jahrhundert?

Vielleicht ganz im Gegenteil. Ein bißchen scheint es, als würde hier zwar nicht die Musik der Welt, aber zumindest ihr europäischer Anteil nach Hause kommen. Denn immerhin hinterließ die europäische Hochkultur dank des sich seit Jahrhunderten ausbreitenden Imperialismus in unzähligen Musikstilen ihre Spuren, vom US-Country bis zum brasilianischen Bossa Nova schlugen sich Claude Debussy oder „Das Wandern ist des Müllers Lust“ nieder nur afrikanische Rhythmen hatten als Gepäck der Opfer der alten und neuen Weltordnung eine ähnliche globale Verbreitung und Bedeutung. Und hier tauchen all diese Einflüße wieder auf, befreit von ihrem Kontext, zusammengehalten von den klassischen Harmonien und Formen des europäischen Liedes – in einem prä-elektronischen Klangbild, so als ginge es zurück in die gemütlich mottigen Stuben unserer Urgroßeltern.

Doch das Gegenteil könnte auch der Fall sein – vielleicht ist dies ein Produkt der freien Wahl jenseits von McDonald’s und Michael Jackson, der Sound von Individuen, die sich ihre Bezüge selbst finden; fremde Länder ein jedes von ihnen.

Vielleicht aber ist es auch etwas vollkommen anderes, wer weiß das schon so genau. Jedenfalls ein Meisterwerk.