Jackie Edwards – This Is My Story
Nichts gegen den cool ruler Gregory Isaacs. Wenn der weithin als das Maß aller Dinge in Sachen Lovers Rock gilt, verdankt er das auch dem Umstand, daß er in seinen produktivsten Zeiten bisweilen angeblich sechs Singles in einer Woche veröffentlichte und von ihm derzeit mehr als 100 CD-Titel im Handel zirkulieren.
So ein workaholic war Jackie Edwards nie. Jamaikas größter Crooner aber sehr wohL Niemand raspelte dort musikalisches Süßholz so einschmeichelnd wie er. Wenn er gelegentlich als der Nat „King“ Cole der jamaikanischen Popmusik bezeichnet wurde, hat das absolut seine Richtigkeit. Bei manchen Balladen, und nicht nur seiner Cover-Version von „When I Fall In Love“, klang seine Stimme der des amerikanischen Sangeskollegen zum Verwechseln ähnlich. Was Chris Blackwell in den frühen 60er Jahren noch vor jeder Rocksteady-, Ska- und Bluebeat-Ara an Aufnahmen mit ihm produzierte, reichte stilistisch von Torch Song und Doo Wop bis zu Rock’n’Roll, frühem Soul (seine Aufnahme von Brook Bentons „The Same One“ ist eine der schönsten überhaupt), sehr gepflegter Edel schnulze und immer wieder amerikanischem Rhythm& Blues.
Der Rude-Boys-Fraktion trat er indes nie bei. Politisch Lied war zwar kein garstig Lied für ihn, ab und an sang er auch das (Johnny Gunman“ ist in dem Genre sein explizitestes hier). Aber wenn, dann idolisierte er in „King Of The Ghetto“ denselben, und „Ghetto Queen“ sang er als Ode an dieselbe. Das Ghetto war da freilich nur Staffage, nicht etwa sozialer Brennpunkt wie in vielen Reggae-Songs – an politischem Bewußtsein mangelte es offenbar, eine Mission glaubte Edwards nicht zu haben. Erst spätere Künstler machten die Botschaft von afrikanischem Erbe und Freiheit zu ihrer Sache. Die Inbrunst und Verzweiflung, mit der Johnny Ace „Pledging My Love“ gesungen hatte, ging ihm ab. Oder besser gesagt: Er verstand das als ganz unpathetische, heiter gelöste Liebeserklärung und sang das deswegen auch so.
Er konnte durchaus überzeugend schmachten – bei Pop-Balladen wie „The Things You Do“ oder besagtem „The Same One“ und nicht zuletzt bei Duetten mit Judy Mowatt und Millie „My Boy Lollipop“ Small, von denen in dieser Werkschau einige zu hören sind. Die Komposition mit dem größten Wiedererkennungswert dürfte hier zweifellos, dem Reggae-Arrangement zum Trotz, „Keep On Running“ sein. Auch ein Liebeslied, möglicherweise sogar so etwas wie sein Antwortsong auf „Pledging My Love“; unverbrüchliche Treue schwören der hoffentlich demnächst Liebsten beide. Der junge Steve Winwood machte daraus, viele Jahre vor Jackie Edwards‘ eigener Aufnahme, etwas ganz anderes. Wilfred „Jackie“ Wilson nahm das erst auf, als er 1975 nach Jamaika zurückgekehrt war und Bunny Lee seine Aufnahmen als Produzent betreute.
Den Repertoirewert dieser Rückschau kann man gar nicht hoch genug veranschlagen. Es ist die erste überhaupt, die einen gründlichen Oberblick über sein Schaffen gestattet. Insofern eine willkommene Gelegenheit, Terry Edwards endlich zu hören – sofern das noch nicht auf anderen, eher obskuren Kanälen geschehen ist.