Jackie Leven – Defending Ancient Springs :: Paranoide Poesie und eklektische Songs von Leren und David Thomas
Da haben sich zwei gefunden. Und Jackie Leven und David Thomas wären nicht Leven und Thomas, würden sie ihrer gemeinsamen Sache nicht gleich ein Fanal setzen wollen. So wird das Pop-Monument „You’ve Lost That Loving Feeling“ zwar nicht mit Macht zerbröselt, aber die Fallhöhe vom Spectorschen Sound-Wahn zu dieser reduzierten, moderat-modernen Interpretation ist schon da. Und lässt hinter der romantischen Hülle durchaus auch die Paranoia spüren, die Leven immer in diesem Song vermutet hat.
War zuletzt „Night Lilies“ nur der duftende Weckruf für allerlei amouröse Verwicklungen, so ist seine Reminiszenz an die Jugend an der schottischen Ostküste diesmal entschieden weiter gespannt. Auch musikalisch: Im ambitionierten Titelsong visiert er mit monströsen Soundbites und mächtigen Riffe gleich the bigpicture an, doch besser, eindringlicher ist Leven, wenn er nicht alles in ein Bild zwingen will, sich auf markante Ausschnitte konzentriert. Auf das stille Leiden eines „Single Fadier“ etwa, der am Ende nur lakonisch-bitter mit den Schultern zucken kann: „Now half the world is working, half is watching T.V.. Some take smack and fall right back, it“s all the same to me.“ Auf die sanfte Verheißung eines „Working Man’s Love Song“ („We will have music, everywhere we go“). Auf eine sterbende Liebe im Winter.
Winter ist es hier ohnehin zu jeder Zeit. „The snow was like a razor, cut his mind away“, greint noch einmal David Thomas im „Paris Blues“ und lässt einen frösteln. Viel Schnee, so grausam stiller, undurchdringlicher Schnee auch in „Hand Is Pale With Holy Kisses“, einem vertonten Gedicht der auf dem Cover gezeigten Marina Tsvetayeva. In der märchenhaft-grausamen Folk-Etüde „The Keys To The Forest“ landet der Unglückliche gar in der Latrine, wo sich kiss auf piss reimt Und das im Winter!
Das ist hart an der Grenze. Und dann wird’s nochmal ganz entgrenzt, unter einem „Morbid Sky“. So hatten sie sich gefunden, Leven und Thomas, beim „Mirror Man -Projekt in der Londoner Queen Elizabeth Hall. „In my head morning never comes“, zetert Leven, das Pale Orchestra schwillt kakophonisch-bedrohlich an. Dagegen klingt dann selbst ihr „You’ve Lost That Loving Feeling“ nicht mal einen Funken paranoid.