Jamie Cullum

Crashing Tales

Gar nicht so schlimm: angenehmer, unverkrampfter Wohlfühl-Pop

Wer die Platten von Jamie Cullum und Katie Melua richtig richtig ernst nimmt, der hat keine Angst mehr vor nichts, und – ganz ehrlich – das ist ein prächtiges Gefühl. Bevor die folgsamen Schmusesänger wieder gehänselt werden, sollte man sich überlegen: Will nicht jeder seine Prominenten so sympathisch wie möglich? Sind nicht die wenigsten dazu bereit, zwischen Kunst und zugehörigem Künstler zu unterscheiden? Und sind die angeblich subversivsten Sachen im Prinzip nicht genau so Wohlfühl-Produkte? Ist ja nicht schlimm, aber ab und zu erscheint es einem doch am aufrichtigsten, wenn Lächel-Zeug gleich fix und fertig lächelnd daherkommt.

Katie Melua, 21, aus London, ist von Ex-Wombel Mike Batt seinerzeit gezielt für ein Norah-Jones-rip-off-Projekt gesucht worden, und man hört es ihrer zweiten Platte „Piece By Piece“ (2) leider immer noch an, daß hier ein junges Girl nur das Malbuch bunt ausmalt, das ein wesentlich älterer Mann ihr hingelegt hat. Was ihr Gesang an Morgentau-Rotkehlchen-Frische ausstrahlt, wird durch die Musik gleich wieder tantchenhaft eingestäubt. So spielt eine Band Pop-Blues, die auf Befehl auch alles andere spielen kann. Melua (die unter anderem „On The Road Again“ und Just Like Heaven“ von The Cure covert) ist dazu bestimmt, Klischees davon zu bestätigen, wie Musik in dieser Konstellation klingen muß. Eben deshalb: ganz angenehm.

Die Überraschung: Das Zweitwerk von Cullum, 25, aus dem englischen Bath ist teilweise wirklich gut. Er kaut einem am Ohr, so weit nach vorn haben sie die Stimme gemischt, und obwohl die Liedtexte denkbar unsubtil zur Image-Prägung benutzt werden (wer würde in einem leichten, Ben-Folds-artigen Piano-Stück darüber singen, daß er sich erbricht?), klingt Cullums Gesang wunderbar bübisch unverkrampft, als hätte Robbie Williams endlich seine Verstopfung auskuriert. In der offiziellen Mitteilung steht, der Künstler habe schon fünf Klaviere zerstört und zwölf schwer beschädigt – komisch, daß der böse Jamie dem Barpiano-Kitsch trotzdem so nahe steht. Aber man kann sich ja in Darsteller von Soaps verlieben, die man eigentlich blöd findet, und so ähnlich ist das hier: Nicht wundern, wenn einzelne Jamie-Cullum-Songs gehaltvoller und lebendiger klingen als das, was Indie-Folker mit zweifelsfreiem Stammbaum spielen. Nett sind sie schließlich alle.