Janis Ian – Folk Is The New Black
Sogar die „Simpsons“ haben Janis Ians „At Seventeen“ laufen lassen in der Folge, in der Homer von scharfem Chili eine LSD-Vision bekommt -. aber in „100 Songs“-Listen wird das wundervolle Eckensteher-Gedicht vergessen, absolut zu unrecht. Wie ja auch wenige daran denken, daß die Frau mit dem Kaffeehaus-Afro noch mit 54 ein Aktivleben als resolute, bekennend lesbische Songwriter-Oma fuhrt, mit zwei Online-Foren (eines jugendfrei, das andere nicht), einer Charity-Stiftung, großer Fanbase in Japan und einem Grundsatzpapier gegen CD-Kopierschutz. So erklärt sich der Chorus zum Titellied ihres ungefähr 24. Albums: „Folk is the new black/ Cheaper than crack and you don’t have to cook/ Download it and see“. Rein ironisch kann sie das nicht meinen.
Obwohl: Daß Folk der letzte Schrei ist, glaubt Janis Ian sicher nicht ernsthaft. Das hier ist eine dieser entspannt unehrgeizigen Spät-Platten, typisch für Künstler, die tatsächlich noch ein bißchen was zu sagen haben, aber ihre Chancen auf öffentliches Gehör realistisch einschätzen. Folk-Blues im Trio, bei dem Ians Fingernägel nah am Mikrophon über die Saiten der Akustik-Gitarre klackern, mit jazzigem Kontrabaß und teilweise viel Schlagzeug-Rums. „Ohne Filter“-Musik natürlich, aber die unaufgeregte Klugheit dieser Frau ist so deutlich hörbar, der Gesang so ewig College-mädchenhaft: eine unverrückbare Persönlichkeit.
Das bedeutet, daß man als Hörer auch ihre Macken ausbaden muß, „Danger Danger“ zum Beispiel, in dem sie reichlich platt die konservativen US-Medien verspottet, oder „The Last Train“, einer Vietnam-Schnulze. In den Sechzigern wurden DJs gefeuert, weil sie Janis Ians politische Platten spielten, und das neue „The Great Divide“ (mit enger Anlehnung an Dylans „The Times They Are A-Changin“‚) könnte wirklich eine alte Bürgerrechts-Hymne sein. Später wandte die Sängerin sich ja mehr dem konfessionellen Lied zu, das sind hier auch die Höhepunkte: die mit Tabla-Percussions durchsprenkelte Ausreißer-Geschichte „Jackie Skates“, der Minibar-Jazz „The Crocodile Song“ über Partner, die sich als böse Kriechtiere entpuppen und das phantastische „My Autobiography“, in dem sie grandios die Sixties-Verklärungs-Industrie auslacht und laut überlegt, wer in einem Janis-Ian-Biopic die Hauptrolle spielen könnte: „Should be somebody I look like/ Sigourney Weaver’d be all right“. Es ergibt viel Sinn, die Texte zu rezensieren, weil man alles versteht.
Hoffentlich schreibt sie ihr Buch noch irgendwann. Wäre gut zu lesen, während die Platte läuft. (Cooking Vinyl/Indigo)