JAZZ :: von Klaus von Seckendorff
Das zu allem fähige Monster unter den jungen Jazz-Pianisten, der Kubaner GONZALO RUBALCABA, ist längst weise genug, dies „alles“ nicht ständig vorführen zu wollen. Weil auch Drummer Dennis Chambers seine Power diszipliniert und Bassist Brian Bromberg seiner höllischen Virtuosität nur in manchem Solo freien Lauf läßt, hat „The Trio“ (somethin‘ eise/ EMI) das Zeug zum Klassiker – auch wenn die Herangehensweise an „Maiden Voyage“ oder „Yesterdays“ alles andere als klassisch ist: Themen treten oft erst gegen Ende deutlich hervor, Grundrhythmen werden auf den Kopf gestellt – all dieses mit Sensibilität und Verstand. 4,0 Mit eher einprägsamen als gewohnt vertrackten Themen vereint GERI ALLEN unterschiedlichste Stile von Bop bis Pop, aber auch Afrikanisches und Soul auf „The Gathering“ (Verve) zu einem hymnischen Konzeptalbum in Sachen Weiblichkeit und Spiritualität. Dabei setzt sie als Pianistin häufig auf Power und erinnert auch sonst an den McCoy Tyner der 70er. Aber dann kommt die Gitarre von Wernon Reid (ex Living Colour) ins Spiel, und schon klingt die Mixtur so eigenwillig, daß bei einem Blind Test mancher Kenner erbleichen würde. An Mitwirkenden hätte er u.v.a. zu erraten: Geri Aliens Gatte Wallace Roney, Robin Eubanks, Buster Williams und Lenny White. 3,5
Weil er vor allem raffinierte Changes und Akkordersetzungen schätzt, ist CHUCK MAHRONIC eher als Lehrbuchautor bekannt geworden. „Many Mansions“ (A-Records/sunny moon), im Trio mit David Friesen und Joe La-Barbera aufgenommen, zeigt mit eigenen Songs und subtil reharmonisierten Standards einmal mehr, daß Mister Mahronic das Übersehenwerden nicht verdient hat. 4,5
Rhythmisches steht auch bei HUBERT NUSS nicht im Vordergrund. „The Shimmering Colours Of The Stained Glass“ (Greenhouse/EFA) ist trotzdem aufregend: als herausragendes Beispiel, welchen Reichtum an Farben ein Klaviertrio entfalten kann. Als Schüler John Taylors steht Nuss der postromantischen Klassik nahe – und einschlägigen Klischees fern. John Goldsby (b) und John Riley (d) wissen diesen Kosmos zu erden, ohne seiner fragilen Schönheit Gewalt anzutun. 4,0
Und was hat JACKY TERRASSON seit seinem Duo mit Cassandra Wilson angestellt? Wie gewohnt Konzerte von euphorischer Spontaneität gegeben. Ob er sich bei „Cumbas Dance“ in eine an Keith Jarretts Ostinati erinnernde Ekstase steigert oder „Sister Cheryl“ von Tony Williams in gewagter Zeitlupe vorfuhrt: Keiner scheut improvisatorische Risiken im bewährten, ungemein kommunikativen Trio mit Ugonna Okegwo und Leon Parker. „alive“ (Blue Note) kann sich diese emotionale Musik intensiv, aber ohne jeden Druck entfalten. Selten herrscht ungebremste Experimentierfreude außerhalb der Avantgarde. 4,0
Wer so gern DAVE DOUGLAS hören möchte, hat bei „Moving Portrait“ (DIW/BISS) die Chance, nach den wunderbaren Balkanmelodien dieses Trompeters diesmal ein bei aller Eigenwilligkeit überraschend straightes Jazz-Opus mit James Genus (b) und Billy Hart (d) sowie dem bemerkenswerten Pianisten Bill Carrothers zu hören. Und sich zu wundern, daß drei der neun Titel von Joni Mitchell stammen – was selbst, wenn man es weiß, nur schwer zu erkennen ist. 4,5
Ein witziger Vogel, vom New York Jazz Critic Circle dennoch als „best new artist 1997“ ernstgenommen: Schlagzeuger MATT WILSON setzt bei „Going Once, Going Twice“(Palmetto/ EFA) mal auf den „Scatgesang“ eines Versteigerers, mal auf Gaststar Lee Konitz und bleibt auch sonst mit seinem klavierfreien Quartett so unberechenbar wie der Mix seiner Einflüsse: Pete Seeger und Sun Ra, Ornette Coleman und – als Sängerin ungleich traditioneller: Rosemary Qooney. 3,0
Hätte Sopransaxophonist GEORGE HOWARD bei seiner Coverversion des Soul-Klassiker-Albums „There’s A Riot Going On“ von Sly & The Family Stone ganz auf Gesang verzichtet, wäre das Konzept der „Blue Note“-Reihe überzeugender umgesetzt worden. Immerhin: Hier ging’s um mehr als stromlinienformige Studiomusiker-Perfektion. Gelegentlich wurde hier wohl auch der Geist des Frühsiebziger-Funk – allerdings ohne jede Anbiederung – recycelt 3,0