JAZZ :: von Klaus von Seckendorff

Das „Naxos“-Label, mit seinen Zehn-Mark-CDs ein Störenfried im Klassiklager, veröffentlicht nun auch Jazz. Und macht damit die Preise kaputt? „On The Other Hand“ ist es erfreulich, endlich mal wieder vom australischen Pianisten Paul Grabowski zu hören, der sich mit dem Schlagzeuger NIKO SCHÄUBLE einen mittleren Geniestreich geleistet hat: eine hochambitionierte Low-Budget-Produktion weitab vom Mainstream, bei der nicht nur die skurrilen Sounds von Originalität zeugen. 4,0

Hochgradig originell ist bei den „Portraits“ (Challenge) des AMSTERDAM JAZZ QUINTET zuerst das Konzept: Für die neun Songs standen Promis von Bardot bis Garri Kasparow Modell. Besonders gelungen: John Cleese als Comedy-Punk. Ansonsten dominiert Modern Jazz in der Tradition eines Woody Shaw – und die musikalische Originalität hält sich in Grenzen. 3,5

Bei der „Blue Note Jazz Search“ siegte unter den deutschen Bewerbern mit DREIKLANG ein Trio, das kein bißchen unter Arroganz oder anderen Akademie-Syndromen leidet. Wunderbar verschroben, dann wieder verhalten lyrisch: Martin Wind (b), Mathias Erlewein (sax) und Jochen Rückert (d) kommen ohne Harmonie-Instrument aus, selbst Gitarrist John Abercrombie benimmt sich als Gast eher linear. Man braucht nur zu hören, wie dieser Drei- bis Vierklang mit Reggae-Akzenten umgeht: Jazz, wie ihn keine Jazz-Schule lehrt. 4,0

Cello und (gestrichener) Baß leiten kammermusikalisch den Titelsong von „Refugees“ (enja) ein, gehen aber bald schon ins Reggae-Zupfen über. Nicht mehr ganz so frisch wie seinem 1996er „Face Lift“ klingt das Trio des Posaunisten GLEN FERRIS – und steht doch nach wie vor für Tieftönendes der lustvoll-überraschenden Art. 4,0

Ein gestrichener Baß, der mal nach Cello und mal wie eine Bratsche klingt: Fünf Saiten braucht RENAUD GARCIAFONS, um sein irritierend virtuoses Konzept zu verwirklichen, diesmal begleitet von Laute, Flamenco-Gitarre, Akkordeon und Percussion, denn „Original Baß“ (enja) ist eine Reise von Indien nach Andalusien. Kein Ethnoversuch eines Jazzmusikers, sondern improvisationsgesättigte „Zigeunermusik“, stark arabisch beeinflußt, aber auch im Balkan verwurzelt. 4,0

Wenn dagegen der schwedische Posaunist NILS LANDGREN und der in seiner Funk Unit an den Tasten sitzende Landsmann ESBJÖRN SVENSSON sich dem „Swedish Folk“ (ACT/Edel Conraire) widmen, dann eignen sich unmißverständlich zwei Jazz-Musiker jene ja gar nicht so fremden Harmonien an, die seit Edvard Griegs lyrischen Stücken auch hierzulande „Melancholie des Nordens“ signalisieren. 4,0

RALPH TOWNER und GARY PEACOCK lassen auf „A Closer View“ (ECM) selbst bei näherer Betrachtung vergessen, daß hier einer Gitarre spielt und Baß der andere. Auch stilistisch verschmelzen kammermusikalische Klassik, Jazz und Folk so untrennbar, daß als betont schlichter Eindruck im Vordergrund steht: Hier machen zwei seit Jahrzehnten schon entdeckungsfreudige Musiker Musik. Und was für welche: rein akustisch, sehr intim, unaufgeregt aufregend. 4,0

TORSTEN DE WINKEL, deutscher Gitarrist mit internationalen Ambitionen, hat nun Buster Williams, Al Foster und Ravi Coltrane um sich geschart. Mit dem Israeli SASI SHALOM, einem der vielversprechendsten jungen Pianisten der Neunziger, weist er dem Modern Jazz den einen oder anderen neuen Seitenpfad. Mal klingt John Scofield an, mal Keith Jarrett, aber hier wird empfunden, nicht nachempfunden – weshalb prompt der Blues eine wichtige Rolle spielt „Long Time Coming“ (EFA) ist ein tolles Debüt für das neue Musiker-Label „new york guerilla“. Das als frühe Spitzenleistung des neuen Jahres zu der exorbitanten und eigentlich nur außerordentlich selten zu vergebenden Wertung ohne Zweifel durchaus berechtigt, nämlich: 4,5

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates