JAZZ VON RALPH QUINKE
Die Jungen spielen wie die Alten: JOSHUA RED-MAN zum Beispiel, 23jähriger Tenorsaxophonist aus New brk. Der klingt mit seinem Quartett auf seiner dritten CD „Mood Swing“ (WEA A9362-45643-2) gar nicht sooo viel anders als ein Sonny Rollins vor 30 Jahren.
Vor drei Jahren noch warRedman ein Nobody in der Szene. Damals, nach einem summa-cum-laude-Abschluß in Harvard, war er auf dem besten Weg, als Anwalt Karriere zu machen. Doch er entschied sich anders, zog von Boston nach Brooklyn und wurde Profimusiker. Saxophon spielte et, seit er 10 war kein Wunder, denn sein Vater ist Dewey Redman, ein gestandener, wenn auch etwas farbloser Tenorsaxophonist, der immer im Schatten der ganz großen Meister gestanden hat Manche Jazzkritiker vergleichen Joshua Redman inzwischen mit den Helden aus der Blütezeit des Jazz: Sie nennen ihn den Sonny Rollins oder den Dexter Gordon der 90er Jahre – und in der Tat: Der Mann bläst sein Hörn mit Liebe und Hingabe und verteufelt gut – und er weiß, wie man Spannung aufbaut Ein bißchen Blues, ein bißchen Soul, mit Inbrunst gehauchte Töne das ist die Begleitmusik für tiefsinnige Gespräche an der Bar über Eros und Philosophie-Musik, die Bilder malt von verrauchten Kellern und Schritten auf nassem Kopfsteinpflaster in der Nacht Statt einer Joshua-Redman-CD könnte man natürlich genausogut eine alte Dexter Gordonoder eine alte Chet Baker-Platte auflegen, aber warum soll ich immer nur einen 64er Lotus Elan fahren, wenn es den 94er Mazda MX 5 gibt?
Mit seinen 25 Jahren demonstriert Joshua Redman eine erstaunliche Reife: Er hat es nicht nötig – wie manche Absolventen einer Musikhochschule – herzuzeigen, was er alles gelernt hat Er macht Musik mit Herz, er spielt mit der Ruhe und Gelassenheit eines Alten. ~k * ~k * Das kann man von einem anderen Newcomer nicht behaupten, von DERRICK SHEZBIE. Der ist freilich erst 19, bläst Trompete und stammt aus New Orleans. Seine Debüt-CD „Spodie’s Back“ (QWest/ Reprise 9362-45299-2) ist gewissermaßen eine Sightseeingtour im Zeitraffertempo durch die Musikgeschichte der Heimatstadt Shezbies, der Heimatstadt des Jazz. Stolz fuhrt er vor, daß er Storyville und den Mississippi, Mardi Gras und die Funerals und ihre Musik aus dem Effeff kennt, daß er alles nachspielen und, wenn es sein muß, auch ein wenig verändern kann. Besonders originell wirken Shezbies Interpretationen nicht Ein Stil-Sammelsurium, in dem die Umrisse einer eigenständigen Persönlichkeit noch nicht erkennbar sind. ^1/2 Längst eine gestände Persönlichkeit ist dagegen der SchlagzeuLangst eine gestände Persönlichkeit ist dagegen der Schlagzeuger PAUL MOTIAN. Aufseiner neuen CD tJReincamation of a Lore Bird“ (JMT 514 016-2) unternimmt auch er mit seiner ELKCTRfC BKBOP BAND eine Reise durch die Jazz-Geschichte. Er interpretiert diejenigen neu, die um 1950 zwar nicht die Xfelt, aber die Musik verändern wollten, die Heroen des Bebop: Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Thelonius Monk, Charles Mingus, Miles Davis. Welch ein Unterschied zu den unentschlossenen Fingerübungen Derrick Shezbies! Paul Motian baut einen Spannungsbogen auf, steuert die Emotionen. Seine CD ist aus einem Guß, sie klingt mal hektisch wie ein Tag an der Börse, mal aggressiv wie eine Straßenschlacht in Harlem, mal laid back wie die Zigarette danach. Motian zerstört die Atmosphäre der Original-Kompositionen nicht, er überträgt sie vielmehr in die Gegenwart*** Seit knapp einem Jahrzehnt gilt BILL FRISELL als der interessanteste Gitarrist der Jazzszene. Zwischen Hillbilly und Heavy MetaL zwischen Folklore und Free Jazz, zwischen Chaos und Klangwolken hat er einen ganz eigenen, unverwechselbaren Sound entwickelt Spielerisch geht er mit Versatzstücken aus der gesamten amerikanischen Musikgeschichte um: Er klaut, er verdreht, er ironisiert Am besten klingt Frisell in seinen ruhigen, balladesken Komposition. Und davon voll ist seine jüngste CD „This Land“ (Nonesuch 7559-79316-2). *** 1/2