Jazz :: von Seckendorff

Seit Frau Cassandra Wilsons „Blue Light TU Darm“ war Jazz-Gesang nicht mehr so aufregend wie jener von KURT ELLING. Eddie Jefferson, Jon Hendricks, Mark Murphy: Da stammt einer hörbar aus bester Schule, überzeugt aber mit völlig eigenem Zugang zu Seat-Improvisation und dem raffinierten Spiel mit Worten. EUings Bariton-Stimme kann Jazz-Songs den Charme von Pop und Folk verleihen; sie kann an die sanfte Unschuld eines Bobby Mc-Ferrin erinnern, um im nächsten Moment draufgängerisch loszuswingen oder „April In Paris“ HipHop-kundig grooven zu lassen. Wenn Kurt spontane Lyrics mit dem Spiel seines nicht weniger wendigen Pianisten Laurence Hobgood verschränkt, dann bleibt nur eine Frage offen: Wo gibt’s solche EUing-Töne live? 4,5

Ebenso intim wie sentimental geriet Chick Coreas „Hausbassisten“ JOHN PATITUCCI sein schönheitstrunkenes Opus „One More Angel“ (Concord/edel). Und dann aus tragischem Grund: Spielt der Titel doch auf den Verlust gleich zweier Kinder an. Mit innigem Ernst gingen auf die Suche nach Trost in der akustischen Fusionsmusik: Michael Brecker und Chris Potter (sax), Alan Pasqua (p), Johns Frau Sachi (cello)undfiiulMoöan(d). 4,0

Auf die Wiener Staatsoper folgt nun Mailands „La Scala“ (ECM) im Zyklus der Solo-Improvisationen des Pianisten KEITH JAR-RETT. In den ersten 45 Minuten führt er durch das üppige Reich romantischer Modulationen weit hinaus in die karge Wüste der Ostinati, des meditativen Auslotens von Oktave und Sekund-Intervall, um die Reise überraschend doch noch in den sicheren Hafen geradezu banaler Harmonieseügkeit einmünden zu lassen. Um so furioser stürzt er sich im zweiten Teil in fluoreszierende Tonkaskaden und an Cecil Taylor erinnernde Quster. Keith Jarrett treibt so zentrale Elemente seines ganz aus dem Moment schöpfenden Alleingängertums auf die Spitze, nicht immer nur im besten Sinne des Wortes – und kontrastiert sie souverän schlicht mit dem Zugabe-Zuckerl „Over The Rainbow“. 4,0

Auch CHARLES LLOYD, mit dessen Band Keith Jarrett in den Sixties das Publikum von Santana undjanisjoplin erreichte, wandelt schon seit Jahren auf spirituellen Pfaden. Mit „Conto“ (ECM) gelingt es dem Tenor-Saxophonisten, den Kritiker häufiger auf Coltrane beziehen, als ihm lieb ist, noch aus dem ruhigsten Balladenfluß eine geradezu verstörende Intensität zu schöpfen, abgeklärte und doch wunderbar rauhe Ekstase in die „kühle Wärme“ seines Quartetts zu pflanzen. 4,0

Daß sich akustisches Straight-ahead-Spiel mit Einflüssen von Reggae bis Calypso, Funk und anderen Tanzbarkeiten verträgt, macht den JVomveau Swing“ (Impulse) eines DONALD HABRISON ausgesprochen unterhaltsam. Der Altsaxophonist dürfte dabei selbst Puristen beglücken – nicht zuletzt dank junger Jazz-Löwen wie Christian McBride (b) und Carl Allen (d).4,0 Am Originalschauplatz „Hahana“ (Verve) hat sich ROY HAR-GROVE das afrokubanische Fieber geholt – um es auf einem Festival in Umbrien auszukurieren. Dabei halfen dem Trompeter neben der Irakere-Legende Chucho Valdes (p) sowie den Saxophonisten David Sanchez und Gary Bartz vor allem diverse Percussion-Meister. Gelegentlich rächt sich der Allstar-Gedanke, wenn die eine oder andere Fast-schon-Bigband-Nummer zur kalkulierten Demonstration von musikalischer Intelligenz und Virtuosität gerät. Doch nicht nur „Mambo Ray“ fegt alle Vorbehalte beiseite. 4,0

Daß David Tronzo zu den aufregendsten Gitarristen der Neunziger zählt, wissen zumindest die Insider. Aber wer kennt Marcus Rojas (Tuba) und den Trompeter Steven Bernstein? „Fly By Night“ (in-akustik) ist Ballettmusik für die Straße – und SPANISH FLY witziger, als die Jazz-Polizei erlaubt. 3,5

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