Jazz :: VON SECKENDORFF
Die Lounge Lizards ohne Mastermind John Lurie? Auch ihr „Zweit-Saxer“ MICHAEL BLAKE heckt interessante Konzepte aus. Mit diversen Alt-Lizards und David Tronzo (Slide Guitar) verarbeitet Blake die Eindrücke einer Reise mit seiner vietnamesischen Frau ins Reich einer bedrohten Minderheit J(.ingdom Of Champa“ (intuition/SMD) wird dem Thema auch ohne ständigen Bezug auf vietnamesische Musik gerecht: als spannende Fusion mit Tendenz zum düster Geheimnisvollen, als atmosphärische, Rhythmus und Ensembleklang betonende Annäherung. 4,0
Auch bei den JAZZ PASSENGERS aus dem Umfeld der Lurie-Lounge hat der Blake früher mal gespielt. Ihr neues Opus „Individually Twisted“ (32Records/edel)vereint den überraschend Jazz-kompatiblen Pop-Charme von Sängerin Deborah Harry mit dem Avantgarde-Witz der Sechserbande um Roy Nathanson und Giros Fowlkes. Deborahs Blondie-Hit „The Tide Is High“ ab lockerer Reggae, Swing-Klassiker im wilden VCfechsel der Grooves, ein nostalgisches Duett mit Elvis Costello – die individuellen Verdrehtheiten“ machen Spaß und haben Stil. 3,5
Manchmal kann die lockere Tour aber auch nerven. Bei LEE RITENOUR zum Beispiel. Nicht, daß der prinzipiell nur seichte Saiten hätte, aber „Alive In L.A.“ (GRP) kehrt er penetrant den Sunnyboy heraus. Schade um die vielversprechende Club-Situation und gestandene Mitmusiker wie Bill Evans und Alan Pasqua. 2,5
Dafür konnte bei der Lockerungsübung Nummer drei doch kaum etwas schiefgehen. Wenn der Vibraphonist FLORIAN POSER das Latin-Repertoire ausweitet und dabei auf versierte Brasilianer wie den Schlagzeuger Portinho, dann kann man „locker“ gleichsetzen mit „elegant und leicht“. „Questions And Answers“ (acoustic/RTD) ist Sommerabend-Jazz. 3,5
Nun, da „Blood On The Fields“ (Columbia) als Triple-CD vorliegt, erweisen sich die Vorschuß-Lorbeeren (erstmalig ein Pulitzer-Preis für den Jazz!) als ebenso überzogen wie die üblichen Schimpftiraden in Sachen WYNTON MARS ALIS: Des Trompeters Monster-Opus zum Thema Sklaverei ist weder die ultimative Jazz-Oper noch der Beweis, daß sein Lincoln Center Jazz Orchestra rettungslos überambitionierten Neokonservatismus verfallen ist Stets nahe an den basics des Jazz verhilft der Komponist Marsalis vor allem Cassandra Wilson und Jon Hendricks zu Gesangesrollen, in denen sie ein weites Spektrum an Emotionen und Stilen entfalten. Selbst schuld, wer sich da an Details wie den didaktisch-unbeholfenen Sprecher-Chören allzusehrstört. 4,0
Mächtig nach Miles klingt der Schweizer ERIC TRUFFAZ. Aber er findet dann wieder heraus aus dem „Fahrstuhl zum Schafott“ und ist ab Songschreiber nicht auf kühle Melancholie festgelegt – und auch seine Rhythm-Section ohne bekannte Namen läßt gar nicht erst die Frage aufkommen, warum “ Out OfA Dream “ bei Blue Note veröffentlicht wurde. 3,5
Wer 1995 von WAYNE SHORTER und seinem Jiigh Life“ eher enttäuscht war, wird ihn wieder unter die ganz Großen einreihen, wenn er ihn im Duo mit HERBIE HANCOCK hört. Shorters lyrisches Sopran-Sax-Spiel betont den intimen Charakter dieser meist romantischen Zweierkiste. Aber auch Hancock hat die Ruhe weg, so daß nicht nur die Balladen wunderbar kontemplativ mäandern können. Kein Rückgriff auf Standards oder Hardbop-Routinen, kein virtuoses Auftrumpfen der Solisten: „1:1“ (Verve) ist kammermusikalischer Jazz, dessen Sensibilität mit großer improvisatorischer Freiheit einhergeht. 4,0
KENNY GARRETT hat mit Miles Davis gespielt und sich auch diesmal von Kenny Kirkland über seinen Stamm-Bassisten Nat Reeves bis zu Drummer Jeff Watts eine spannende Band zusammengesucht Und doch droht sein „Songbook“ ein wenig unterzugehen: einfach nur zehn intensive Titel. 4,0