Jazz :: VON SECKENDORFF

Ein starkes Stück: Da holt sich ein französischer Kontrabassist vier amerikanische Musiker zusammen, die bringen je zwei Kompositionen ins Spiel – und das Ergebnis klingt, als hätte man es mit einer über Jahre hinweg gewachsenen Band mit zu tun, bei der sogar die doppelte Baß-Besetzung organisch wirkt. HENRI TEXIER ist nicht nur einer der vielseitigsten europäischen Bassisten (wie zuletzt sein Afrika-Trip mit Louis Sclavis zeigte). Über ihn haben Lee Konitz (as), Bob Brookmeyer (tb), Paul Motian (d) und Steve Swallow (am E-Baß) zu einem Quintett zusammengefunden, dessen gelassenphantasievoller Modernjazz all unseren echten „Respect“ (Label Bleu/EFA) verdient. 4,0

Ob lockerer Latin, hypnotische Gave-Figuren (Percussion: Milton Cardona!), lässiger Waltzer oder modale Modernismen: Der Pianist JONNY KING scheint all das aus dem Ärmel zu schütteln und hat sich mit Musikern wie David Sanchez, Larry Grenadier und dem Ex-Messenger Steve Davis gewiefte Mitstreiter geleistet Trotz der Hitze, für die gleich drei Bläser sorgen, schleicht sich manchmal eine gewissse Glätte ein bei diesem hochprofessionellen „Meltdown“ (enja/in-akustik), aber eigenwillige Kompositionen wie „Lady Macbeth“ oder ein Blues-Duett mit Steve Wilson sorgen dafür, daß dieser Eindruck nicht dominiert. 3,5

Wer die Kombination ORNETTE/JOACHIM KÜHN für seltsam hält war 1996 nicht bei den Leipziger Jazz-Tagen. „Colors“ (VERVE), dort live mitgeschnitten, fuhrt vor, daß sich der nicht sonderlich pianistenorientierte Harmolodiker mit dem sächsischen Biänisden bei dessen Heimspiel verstand, ohne daß dafür große Zugeständnisse nötig waren. Kühn geriet bei Colemans Kompositionen in jene Trance der Arpeggien und Güster, die ihn zu einem der überzeugendsten Vertreter freien Klavierspiels macht Besseres als der stete Fluß dieser kühnen Impulse hätte dem recht sperrig gestimmten Ornette Coleman also gar nicht passieren können. 4,0

Ein ganz anderes freies Konzept verfolgt der Bläser JOE MANERI mit seinem Quartett, zu dem außer seinem Sohn Mat (viol) noch Bassist John Lockwood und Schlagzeuger Ralph Peterson gehören. Eine mikrotonale Skala mit 72 Tönen pro Skala, das scheint irrwitzig, bewährt sich aber in der freien Improvisation ebenso wie bei höchst eigensinnigen Versionen von „Tenderly“ oder Gospel-Klassikern, die den gelegentlich klavierspielenden Saxophonisten Maneri zudem als einen der wichtigsten Klarinettisten ausweisen. „In Full Cry“ ist die wohl bislang aufregendste ECM-Veröffentlichung dieses Jahres. 4,0

Als Fall von früher „Akersweisheit“ entpuppt sich nach seinem Country-Abstecher einmal mehr der Gitarrist BILL FRISELL (46). Äußerst behutsam nähert er sich im Duo mit MICHAEL WHITE (64), einem der großen Jazz-Geiger, Klassikern wie „Ybu Are Too Beautiful“ und „Flamingo“. So wird „motion pictu»es“ (intuition/Schott) zu einem wichtigen Schritt auf Bills Suche nach einer von aller Peinlichkeit befreiten amerikanischen Identität als Musiker. 3,5

Behutsam? Ray Anderson läßt’s da als Posaunist lieber krachen. Sein seit rund 20 Jahren bestehendes Trio mit Mark Helias (b) und Gerry Hemingway (d) tritt auch unter dem Namen BASSDRUMBONE lustvoll an, eine Bogen von wilden Grooves zu mehr oder weniger freien Improvisationen zu schlagen. So flog bei Ray die Spucke – und dem Publikum im Amsterdamer Bimhuis wäre sie manchmal fast weggeblieben. „Hence The Reason“ (enja/in-akustik) ist starker Tobak – und doch stets transparent 4,0

Wie macht er das, der PETER FESSLER, daß so viel Bobby Mc-Ferrin und so viel AlJarreau bei ihm anklingt und er doch nicht wie ein Klon wirkt? Es ist sein Ding, wie er Standards mit Funk- und Latin-Touch versetzt – und für „Colours Of My Mind“ (Minor) in Christoph Eidens den Partner fand. 3,5

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