Jazz
Wann wird endlich mal ein Bund gegen akustische Umweltverschmutzung gegründet, der eine weltweite Kampagne gegen den ganzen Klangmüll anzettelt, mit dem wir tagtäglich belästigt werden? Eine Kampagne nicht nur gegen das Zeug von Marianne 8i Michael und Matthias Reim, gegen die Berieselung vom Lufthansa- und Starlight-Express oder von den Klavierspielern Clayderman und Justus Frantz, vom Kriegskitsch „Miss Saigon“ und vom Nostalgie-Reibach der „Buddy-Holly-Story“ – nein, auch gegen den akustischen Schrott, mit dem Pop- und auch Jazz-Musiker nerven. Zum Beispiel der Saxophonist ERIC
MARIENTHAL,
eine Art David Sanborn für Arme. Sein belangloses Geplänkel auf „Street Dance“ (GRP 97992) geht zum einen Ohr hinein, zum anderen wieder heraus. 1,0 Oder der Harnnist ANDREAS VOLLENWEIDER. Das ebenso schlichte wie schleimige New-Age-Gesülze auf „Lmr 1982-1994“ (Columbia 478042 2) mag Lehrern, Latzhosenträgern und Spiekeroog-Urlaubern Hochgefühle verschaffen. Andere Menschen empfinden Brechreiz. 1,0 Genug Zeilen für überflüssige CDs vergeudet, die auf die nächstbeste Sondermüll-Deponie gehören. Lieber von ein paar Debütanten erzählen, die frischen Wind in die Jazz-Szene bringen. Wie LEON PARKER. Der Trommler zeigt, wie man mit kleiner Besetzung große Musik macht Auf seinem Debüt „Above & Below“ (Epicure 4781982) interpretiert er Stücke von Jazz-Ikonen wie Duke Ellington oder Thelonius Monk auf eine bislang ungehörte Art und Weise: ganz sparsam, fast minimalistisch, reduziert auf ihren wahren Kern. Und auch bei seinen eigenen Kompositionen konzentriert sich Parker auf das Wesentliche: keine überflüssigen Schnörkel, keine überladenen Arrangements. Jazz pur, frisch und originell. 3,5 Ein anderer Debütant ist eigentlich ein uralter Hase: Der amerikanische, in Hamburg lebende Tubaspieler und Baritonsaxophonist HOWARD JOHNSON hat seit 30 Jahren einen hervorragenden Namen nicht nur in der Jazz-Szene. Duke Ellington, Marvin Gaye, John Lennon, Spike Lee und tausend andere nahmen seine Dienste in Anspruch. Etliche Male wurde er zum weitbesten Tubaspieler gekürt. Er selbst weiß nicht, bei wievielen Plattenaufnahmen er dabei war, aber ein paar hundert werden es sein. Und erst jetzt erscheint seine erste Aufnahme unter eigenem Namen: „Arrival“ (Verve 523 985-2). Mit vier Hamburger und zwei afrikanischen Musikern hat Johnson eine Hommage an den Saxophonisten Pharoah Sanders aufgenommen – solider, runder Jazz im Gebt und Gestus der 60er Jahre, der vibriert und swingt, der hymnisch ist und meditativ und manchmal sogar magisch. Man spürt die 30jährige Erfahrung, die Howard Johnson auf dem Buckel hat Die macht gelassen. 3,5 Daß CHRISTIAN MeBRI-DE dagegen ein Youngster mit wesentlich weniger Erfahrung ist, kann er auf seinem Debüt-Album „Gettin‘ To It“ (Verve 523 989-2) kaum verbergen: Noch glaubt der 22jährige Bassist offenbar, in jedem seiner Stücke beweisen zu müssen, was für ein toller Hecht er ist, wie schnell, wie perfekt er seine Saiten zupfen kann. Zugegeben: Er ist technisch ziemlich ausgekocht, und er konnte einige Top-Leute der jungen New Yorker Szene für diese Aufnahme anheuern. Aber trotzdem fehlt dieser Musik die Seele. Denn daß Jazz nicht zuletzt bedeutet, weglassen zu können, mit Pausen zu arbeiten – das muß McBride wohl erst noch lernen. 2,5 Randvoll von Seele ist dafür ,JNo Ways Tired“ (Elektra Nonesuch American Explorer 61650) der Sängerin FONTELLA BASS: Eine Stimme, geschult im Kirchenchor und in der Honky-Tonk-Bar, eine schmuddelige Hammond-Orgel ein krächzendes Saxophon, eine schräge Trompete – Blues und Gospel, sehr schwarz, und sehr, sehr anrührend. 3,5