Jeb Loy Nichols – Just What Time is

War mal hip, dieser Mann. Fellow Travellers hieß seine Band, die in der ersten Hälfte der 90er Jahre Country-Songwriting und Dub-Reggae-Soundstrukturen zusammenführte – und dabei nicht wie ein Irrweg aus dem weltmusikalischen Klimbim-Arsenal klang. Als diese Konstellation ausgereizt war, kamen die Solo-Karriere, ein unverhoffter Major-Label-Deal und der unvermeidliche Rauswurf nach dem Solo-Debüt „Lovers Knot“. „I’m carsick, I’m seasick, I’m lovesick“ singt der Wahl-Londoner aus Wyoming/Missouri jetzt programmatisch in seinem „Room 522“, ein wenig verloren schon, aber doch nicht verlassen von seiner Muse, die er auch wieder auf Jamaica blühen ließ, in einem winzigen Low Budget-Studio, wo kiffende Rastafarians schon mal zu Kenny Rogers (!) grooven.

Cool? Hip? „It’s all a weird mishmash“, so Nichols. Mischmasch ist seine Musik nicht, und wirklich weird auch kaum. Den sanft konturietten Off-Beats zum Trotz schlägt das Herz von „Just What Time It Is“ in Memphis, als eine Art gedämpfte Alternative zum Jim-Dickinson-Klassiker „Toots In Memphis“. Soul, blauäugig und very blue, mit schweren Lidern vorgetragen, auf der Suche nach diesem winzigen, perfekten Moment melancholischer Einkehr. „Hold Me Till I Fall“, „She Reminded Me“, „Double Dose Of You“: Das bittersüße Elixier der Liebe wird hier in vielen Schattierungen gereicht. Immer wieder. Denn Nichols, der die Scheidungs-Arie „Here My Dear“ für Marvin Gayes radikalste Platte hält, glaubt an Radikalität nur noch in Beziehungen. Welcher Art auch immer.

Klar, da klirren um Mitternacht auch schon mal verheißungsvoll ein paar Eiswürfel im Longdrink (weil Mitternacht hier die ganze Nacht zu dauern scheint), doch schmelzen sie schnell dahin unter dieser dicken Schicht Puderzucker-Melancholie, die auf diesen Tracks liegt wie der Tau auf einer Wiese an einem kühlen, klaren Herbstmorgen. „Summer Came“ – und ging dann auch wieder. Was Jeb Loy Nichols nicht wirklich umtreibt. Selbst die „Heavy Changes“ besingt er ja abschließend mit einer näselnden Gleichmütigkeit, die irgendwie erschüttert. Kann den Mann denn wirklich nichts erschüttern? Diesen schmalen Buddha, der selbst Choleriker ruhig stellt.

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