Jeff Beck

Truth

Century Media (EMI) 13.05.2005

Eine weithin unterschätzte Pionierleistung des Hard Rock.

Das geflügelte Wort, demzufolge gilt, daß „all in love and war is fair“, meint ja das genaue Gegenteil. Ziemlich unfair geht es manchmal auch bei der Geschichtsschreibung in Sachen Rockmusik zu. Andernfalls hätte man mittlerweile wirklich zu dem Konsens finden müssen, daß „Truth“ die Mutter von allern Heavy Metal war. Daß der Gitarrist bei den Sessions zu dieser LP in einer anderen Liga spielte als vorher Eric Clapton beim Debüt von Cream oder Jimmy Page beim Erstlingswerk von Led Zeppelin ein Jahr später. Daß schließlich diese Jeff Beck Group mit der LP einen Meilenstein vorlegte, dessen Pionierleistungen Generationen später musizierender Kollegen weit mehr anerkannten als Kritiker, die dem Gitarristen immer seine Exzentrik und Unberechenbarkeit vorhielten.

Dieser ziemlich unbekannte, von Beck rekrutierte, sich angeblich durch „vocals extraordinaire“ auszeichnende Sänger Rod Stewart war so klug, sich bei sein Soloplatten wenig später der Dienste derselben Rhythmustruppe zu versichern. Das größte Problem war der Starproduzent, bei dem Beck nach dem Weggang von den Yardbirds nach Ansicht der EMI immer noch unter Vertrag war. Der hielt wenig von der Band-Idee, wollte aus dem Gitarristen so wie aus seinem Schützling Donovan auch einen Solo-Popstar machen, ließ ihn Sachen wie „Hi Ho Silver Lining“ und „Tallyman“ singen und ordnete an, daß er von furchtbarem Europop wie „L’Amour Est Bleu“ ein Instrumental-Cover aufzunehmen habe.

Pop-Verdacht konnte bei der Auswahl für dieselben gar nicht erst aufkommen. Diese Song-Mixtur aus Folk- und Blues-Klassikern (Tim Rose und mehrfach Willie Dixon), in Heavy Metal-Psychedelica transformierte Yardbirds-Vorlagen und deftigem Bluesrock, „Ol‘ Man River“, zum Blues umfunktioniert, diversen Eigenkomposttionen und „Greensleeves“ als Instrumental-Oase dazwischen schielte wohl ein wenig auf den US-Markt (wo die LP es dann auch bis auf Platz 15 brachte), war andererseits aber auch so exzentrisch, daß man sich immer noch fragen darf, wieso Publikum und Kritik in Amerika dies Quartett auf Anhieb so schätzten, wo sich der Sänger bei den ersten Tourneen doch so oft schüchtern hinter dem Wall an Lautsprechern zu versteckten pflegte.

Während der vier Tage dauernden Sessions schaute Mickie Most ab und zu vorbei, nur um Tonmeister Ken Scott zu erklären, er möge doch bitte dafür sorgen, daß Jeffs Gitarre möglichst „heavy“ klinge. Dann verschwand er wieder zu den Olympic Studios, weil die Donovan-Aufnahmen dort für ihn wichtiger waren. Kein Wunder, daß Beck nie besonders gut auf ihn zu sprechen war.

Die drei Single-Titel, zu denen Most ihn zunächst mehr oder minder gezwungen hat, sind auf dieser Remastered-Edition die letzten Bonus-Tracks. Ungleich besser der neue Stereo-Mix von „I’ve Been Drinking“, Alternativ-Takes und -Mixes von „You Shook Me“, „Blues Deluxe“ und „Rock My Plimsoul“ sowie diesem für die Single produzierten Mono-Mix von „Beck’s Bolero“ mit der „backwards guitar“ als Gag am Ende.