Jeff Buckley :: Mystery White Boy
Mutter Guibert veröffentlicht die Live-Aufnahmen aus dem Nachlass
Sein Herz war mit den Tieren. Noch in der Woche, bevor er mit Schuhen ein erfrischendes Bad im Mississippi suchte und dabei für immer versank, war Jeff Buckley vorstellig geworden, um sich als freiwilliger Pfleger zu bewerben. Statt Blumen bat die unglückliche Mutter in seinem Sinne um Spenden für den Zoo von Memphis. Dort, an einer kleinen Steinmauer, hängen inzwischen zwei Gedenkplaketten, die an den den viel zu früh Gegangenen erinnern sollen, gleich da, wo man die Sumatra-Tiger im Blickfeld hat Buckley sei nie gegangen, ohne die Schmetterlinge zu besuchen, heißt es.
Das passt. Konnte Jeff Buckley nicht fliegen wie ein Falter und fauchen wie eine Raubkatze? Jedenfalls lagen Verzückung und Verletzung bei ihm so nah und unberechenbar beieinander wie bei kaum einem anderen jungen Songwriter und Sänger. Was ja gerade seine Faszination ausmachte. Peu a peu wirft uns die den Nachlass behütende Mutter Mary Guibert nun die Brocken daraus hin, die diese Faszination weiter nähren sollen. Wobei auch klar ist: Wir werden nie wissen können, was wir wirklich an dem Künstler Jeff Buckley verloren haben. Blankoschecks auf die Zukunft konnte man auch ihm nicht ausstellen. Also muss noch mal die Vergangenheit herüberleuchten, Live-Mitschnitte von drei Kontinenten aus den Jahren 1995/96, ein Stück („Dream Brother“) auch aus Hamburg (möglicherweise ein Versehen – laut altem Internet-Tour-Kalender war er an dem angeführten Tag nicht mal in Deutschland), von Guibert und Buckley-Gitarrist Michael Tighe zusammengetragen zu einem in sich stimmigen 12-Song-Set Die Band dicht und kompakt, ein Riesenschwungrad und -rückgrat, davor, darin, darüber Buckley auf dem schmalen Grad zwischen Einkehr und Ekstase, Exhibitionismus und Elevation: „Hallelujah“! Der ganze Mann ein „Mood Swing Whiskey“, wie einer von mehreren neuen Songs betitelt ist, die wie Outtakes von „Grace“ klingen („I Woke Up In A Strange Place“, „What Will You Say“), das den Löwenanteil des Repertoires stellt „Mojo Pin“ und „Etemal Life“ gibt’s damit schon zum zweiten Mal auf einem offiziellen Live-Mitschnitt (nach der Debüt-EP „Live At Sin-e“). Das famose „Lover, You Should’ve Come Over“ hingegen ziert nur die 3-Track-Bonus-CD, die der limitierten Erstauflage von „Mystery White Boy“ beiliegt. Ob Jeff das so gewollt hätte? Wir werden es nie erfahren.