Jim Ford – The Uissued Capitol Album/Big Mouth USA
Bear Family hatte gerade die zweite Sammlung mit Songs des fast vergessenen Jim Ford veröffentlicht, als der große Wahnsinnige Ende des Jahres 2007 starb. Was eine ebenso tragische Ironie hatte wie die gesamte abgebrochene Karriere des Songschreibers, denn längst hielten ihn sogar Wohlmeinende für tot, als Bänder aus einem Wohnwagen ans Tageslicht gebracht wurden. Das „Harlan County“-Album von 1969 und unveröffentlichte Stücke erschienen daraufhin bei Bear Family, begleitet von Hymnen solch glaubhafter Bewunderer wie Bobby Womack — der ihn „beautiful cat“ nannte -. Sly Stone – der ihn als „killer writer“ pries“- und Nick Lowe, der ihn „the biggest musical influence of my life“ nannte.
Nun erscheinen also die Platten für Capitol aus dem Jahr 1970 respektive Paramount von 1973. Ford hatte sich bei den Labels schnell unbeliebt gemacht, vermutlich die Verantwortlichen beleidigt, weshalb sie seine Aufnahmen liegen ließen. Man erzählt von Kokain-Parties, Sex- und Alkohol-Gelagen in Hollywood, wo der nur Eingeweihten bekannte Schwerenöter schlimmer auf die Pauke haute als Warren Zevon.Sein Widerspruchsgeist machte ihn zur persona non grata, die Siebziger überstand er mit Not.
Ford war ein großartiger Soul-Sänger, aber seine Version von Sam Cookes „Chain Gang“ wirkt blass im Vergleich mit seinen eigenen Songs, die mit kräftigem Country-Strich, manchmal auch Streicher-Arrangements an Van Morrisons entrückteste Momente erinnern. Bessere Songs als „Wonder What They’ll Do With Today“, „Point Of No Return“, „Go Through Sunday“ und „You Just-A“ wird man in diesem Jahr nicht hören. Gern wüsste man, wer die „cream of Los Angeles musicians“ war, die hier Gitarre, Bass und Orgel zu Fords Gesangs-Improvisationen leuchten ließen.
Vom dritten Album, benannt nach der Single „Big Mouth USA“, gab es nur ein I2inch-Azetat. Diese Platte, die nur Kompositionen von Ford enthält, ist sogar noch besser als das Capitol-Album. Hier war Ford endgültig entfesselt, von Alkohol und Drogen wahrscheinlich auch schon irre geworden. Soul war von Country fast verdrängt worden, Ford hatte seinen Gesang für das Stück „Big Mouth USA“ auf Hillbilly umgestellt und die Produktion auf kernig. Es gibt kaum Aufnahmen von Country Music, die mit solch roher Inbrunst durch die Klischees des Genres pflügen, als wäre nicht ein Wort ausgedacht. Bei „Family Tree“ und „Rising Sign“ kommen dann Funk und Gospel, Bläser und Chöre durch die Hintertür – klingt wie „Remain In Light“ von den Talking Heads minus Brian Eno. Zwischendurch singt Ford eine hin‘ reißende Vaudeville-Nummer wie „I Call Her Baby“.
Jim Ford war so weit draußen, dass er nicht mehr zurückkommen konnte. Geblieben waren ihm die Bänder im Wohnwagen.