Jim White – NoSuchPlace

Hat sich David Byrne in den 90er Jahren mehr Verdienste als Talentscout erworben denn in eigener Sache? Da könnte was dran sein. Immerhin brachte er als Luaka Bop-Chef beachtliche Kuba- und Peru-Compilations ebenso an den Start wie den brasilianischen Song-Desperado Tom Ze. Neulich wurde Byrne sogar im eigenen Hinterhof fündig. Dort, wo einst seine „True Stories“ das Bizarre im Alltäglichen entdeckten, ist auch Jim White zu Hause. Aufgewachsen in einer – so White – „one hell of a churchy town“ namens Pensacola (Florida), kann das Jüngste von fünf Kindern auf Kurz-Karrieren als Profi-Surfer (Kalifornien), Model (Mailand) und Taxifahrer (New York) zurückblicken. Nachdem die Bekanntschaft mit einer Säge zu intim geriet, kann der Gitarrist White aber nur noch „Zweifinger-Etüden“ (White) komponieren.

Das reichte immerhin für „JVrong-Eyedjesus!“. Sein gleichwohl faszinierendes 97er-Debüt hätte etwas mehr Formwillen gut vertragen und brachte ihm komische, hilflose Vergleiche von Beck bis Lyle Lovett ein. Das CD-Booklet zierte über satte 15 Seiten eine suggestiv und lakonisch erzählte Tramper-Odyssee zwischen Himmel und Hölle. Den Daumen hält White auch

diesmal in den wind, in „Hey! ibu Going My Way???“, neben dem (allzu) offensichtlichen „God Was Drunk When He Made Me“ der einzige von ihm selbst produzierte Track. Die prominenten Helfer fürs Rest-Programm konnte er sich diesmal aussuchen. So spendierten die Brit-TripHopper Morcheeba gern einen grundguten Beat.

Der kitzelt in der sublimen Variante, in der Psycho-Studie „The Wound That Never Heals“ Whites Qualitäten als cooler, präziser Storyteller hervor, funktioniert aber auch stmight prima („Handcuffed To A Fence In Mississippi“, „10 Miles To Go On A 9 Mile Road“). Dazu gesellen sich Andrew Haie (genau: Sade) und Sohichiro Suzuki (Yellow Magic Orchestra), zuständig eher für die subtile Inszenierung jener „dark little songs“ (White).

Man muss White nicht gleich zum Genie küren. Aber der romantische Fatalismus von „The Wrong Kind Of Love“, das stille Sehnen in „The Love That Never Falls“, der brüchige Abgesang auf den alten „Corvair“ (gleich zweimal) sind gewiss schillernde Visitenkarten eines Song-Stilisten, dessen Quantensprünge nur selten wie bloßer Selbstzweck wirken. Es sind wundersame Songs eines Autodidakten, die ihn freilich nicht populär machen werden.

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