Jimmy Eat World – Clarity

Melodieseliger, abwechslungsreicher Emo-Core auf dem Vormarsch Alle vier Mitglieder des Quartetts aus Arizona sehen exakt so aus, wie sich Mütter den perfekten Schwiegersohn vorstellen und sind für findige Plattensammler und Verehrer des Underground längst ein alter Hut. Dennoch war das im vorletzten Jahr erschienene „Clarity“ ebenso wie die Vorgänger Jimmy Eat World“ (1994) und „Static Prerails“ (1996) sowie eine wiederum selbstbetitelte Compilation mit frühen Singles und B-Seiten aus dem letzten Jahr in Europa bislang nur auf Importwegen erhältlich und wird nun auch hier zu Lande regulär veröffentlicht.

Mit Recht, denn die hochemotionalen, hymnischen Songs der Combo um Sänger und Gitarrist Jim Adlons haben auch ohne reguläre Veröffentlichung in ganz Deutschland für ausverkaufte Clubs und euphorisierte (Post)-Adoleszenten gesorgt. Und um es kurz zu machen: „Clarity“ ist ein beispielloser Monolith, ja absoluter Meilenstein des amerikanischen Power-Pop! Dass Glück und Trauer (und Tränen fließen auf “ Clarity“ in Form von reißenden Sturzbächen!) wohl selten so nah beieinander lagen, untermauert bereits der Beginn „Table For Glasses“, in dem Adkins zu klassischer Cello-Begleitung und formvollendetem Chorgesang fleht: „Lead my skeptic sight.“ „Lucky Denver Mint“ ist eine grandios eingängige College-Rock-Kostbarkeit, und -Believe In What You Want“ eine emphatische Offenbarung mit einem Refrain wie ein Freudentaumel. Statt stumpfem Punk-Rock, wie er in so vielen Filmen zum Einmarsch der Schüler gespielt wird, sollte allein dieser Song amerikanische High-School-Streifen untermalen. Ein Credo, eine Weisung.

„A Sunday“ ist eine adorable, tieftraurige und dennoch hoffnungsvolle Bestandsaufnahme und das herzzerreißendste Dokument der Platte: „The hopes that you have carried/ They fall out from your hands back to the ground/ The haze clears from your eyes on a sunday“, singt Adkins flehentlich. Dazu Violine und Glockenspiel. In „12.23.95“ fehlen selbst ihm die Worte, gerade noch ein frohes Weihnachtsfest kann er seiner Verflossenen wünschen. Bis hin zum 16-minütigen Epilog „Goodbye Sky Harbor“ wechseln sich aufwühlender Rock („Blister“), warmherzige Balladen und Midtempo-Stücke (Just Watch The Fireworks“) ab; kein Wunsch bleibt offen und kein Auge trocken. Denn die ganz und gar famosen Festgesänge von Jimmy Eat World haben nichts mit Jungmänner-Melancholie zu tun, sondern feiern unnachahmlich die Liebe in den Zeiten des Slackertums.

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