Jimmy Webb – Twilight Of The Renegades

Es ist vergnüglich zu lesen, wie die Rezensenten in britischen Musikblättern einen Eiertanz vollführen, um einerseits der Bedeutung Jimmy Webbs gerecht zu werden, andererseits nicht zu explizit das neue Album zu untersuchen. Gar zu steil ist die Fallhöhe von Webbs frühen Meisterwerken zwischen 1966 und 1970 und diesem wohltönenden, seichten Abgesang auf alte Meister und bockige Einzelgänger. Das Cover sieht aus wie die kitschige Montage auf einer Ramsch-Compilation vom Bücherversand. Und Jimmy reitet in den Sonnenuntergang.

Sentimental war Webb immer, doch die Larmoyanz und der Kulturpessimismus sind hier schwer erträglich. Das Lied „Paul Gauguin In The South Seas“ feiert Renegatentum und Wahrheitssuche in der Kunst und mit Gauguin meint der Autor sich natürlich selbst: „Why can’t they leave the man alone, for heaven’s sake/ You gotta lose yourself to find paradise.“ Die Songs dieser Platte handeln von Selbstbehauptung, dem Suchen und Finden des schöpferischen Geistes, dem Vergehen der Zeit und dem Ungeist der Moden. Dabei reicht das älteste (und beste!) Stück, „She Moves And Eyes Will Follow“, immerhin bis ins Jahr 1981 zurück, das wohlfeile Lamento über den „man with a mercedes benz“ und „with cocaine“ im „High Rent Ghetto“ datiert von 1990. Der Mann war wiederum Webb selbst, in den Siebzigern alles andere als ein Renegat „But you show no signs of age/ The secret of youth/ Surely is yours“, schmeichelt er in einem anderen Stück.

Dieses Geheimnis umgibt Webb nicht Zwar erkennt man sofort seine Piano-Kadenzen und den flehentlichen Gesang, doch könnten die Songs auch von Bruce Hornsby stammen. Na, beinahe. Vage mexikanisches Geklimper wie zu „Spanish Radio“ gab es früher nicht In dem barmenden Gesang und den säuselnden Streichern der Ballade „Time Flies“ liegt geradezu religiöse Jenseits-Gestimmtheit. Wie unglaublich überkandidelt waren die Arrangements auf den Alben mit Richard Harris, wie gefällig ist der schnulzige MOR-Schönklang heute!

Das alles macht einen so melancholisch, daß man gleich die großen Webb-Symphonien wiederhören muß. „Twilight Of The Renegodes“ ist die erste Platte des großen Mannes seit „Ten Easy Pieces“ im Jahr 1996 – und die enthält alte Stücke. Von denen Jimmy Webb heute sagt er würde sie nicht einmal spielen, wenn man ihm eine Pistole an den Kopf halten würde. Dabei konzertiert er in New Yorker Clubs vor Publikum an Tischen, Mindestverzehr zehn Dollar. Spring is never waiting for us, man.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates