Joe Jackson :: Live At Rockpalast
Joe Jackson und Falco auf den Gipfeln: Filme aus dem Jahrzehnt, an das man sich undeutlich erinnern kann
In Deutschland brauchte es natürlich eine Institution, um die Anarchie ins Land zu bringen. Sie hieß „Rockpalast“ und roch zunächst nach Schweiß und Testosteron, nach Pathosposen und Muckertum. Doch dann wurde auch sie von neuen Radiowellen aus England erfasst. 1978 machten Graham Parker & The Rumour den Anfang, es folgten Ian Dury & The Blockheads und Elvis Costello & The Attractions. Anderthalb Jahre später rollte die zweite Welle an.
Im März 1980 stand Joe Jackson auf der Bühne eines kleinen WDR-Studios. Im Anzug und um einiges älter aussehend als seine 26 Jahre, wirkte er wie ein verkaterter Sozialkundelehrer, der seiner braven Klasse einiges über britische Soziotypen berichtete. Mit einem furiosen „One More Time“ nahm der Abend Fahrt auf, der Sänger trat mit Bierflasche ans Mikro und bat das lahme Publikum stilecht um Beleidigungen. Es folgten „Fools In Love“, „Don’t Wanne Be Like That“ und „I’m The Man“ – weniger Wut als Costello, weniger Pub als Graham Parker, aber mindestens so viele Melodien und Sottisen. Musik der Zeit, von der Jackson sich später distanzierte – Reggae-, Jazz- und Latineinflüsse durchzogen nun seine Songs.
Was ihn (noch) vor Prätention und Kunstgewerbe rettete, war die Klasse der Komposition und die Energie der Performance. Das kann man bei den zwei „Rockpalast“-Konzerten aus dem Jahr 1983 in Hamburg und Essen sehen und hören. Die Anzüge waren modischer und teurer geworden, der Gesang kunstvoller und akzentuierter, die Rhythmen freier, und auch die alten Stücke waren vom Latin-Flair der Hitplatte „Night And Day“ („Our latest and greatest album“) durchwirkt. „Thank you for your polite attention!“, bedankte Jackson sich nach einem innigen „Breaking Us In Two“ beim begeisterten Publikum und bat um Ruhe für die A-capella-Doo-Wop-Version von „Is She Really Going Out With Him“. Auf zwei DVDs kann man nun Joe Jacksons Weg von den Anfängen bis auf die Höhe seiner Kunst verfolgen. (Made In Germany) Maik Brüggemeyer
Zum letzten Mal werden die audiovisuellen Dokumente ausgebreitet, die Aufstieg und Fall des Johann Hölzel zum Thema haben. Rudi Dolezal, einst Teil der Wiener Videofilmerei Rossacher & Dolezal, hat „Eine Spurensuche“ zu dem Album „Falco 3“ nachgelegt, in dem die üblichen Zeugen aufgerufen werden: Entdecker Helmut Spiegel, Manager Horst Bork, Drahdiwaberl und Medienzampano Hans Mahr. „Falco 3“ ist die Platte mit „Rock Me Amadeus“, „Vienna Calling“ und „Jeanny“, produziert von den Brüdern Rob und Ferdi Bolland in – Holland. Falco war 1984, nach „Junge Römer“, in eine Krise geraten und wurde den niederländischen Rundum-sorglos-Profis vorgestellt, allerdings fröhlich lallend. Die Brüder, etwas ledriger geworden und weniger haarig, demonstrieren noch einmal, wie sie den pöbelnden Falco am Ende vom Studio auf die Straße warfen, sie spielen am Klavier „Jeanny“, und man ist ergriffen von dem erhabenen Kitsch. Die Zeitzeugen erinnern sich daran, wie Falco an jenem Tag im Jahr 1986, als „Rock Me Amadeus“ Platz eins der amerikanischen Charts belegte, in der Gaststätte „Zum alten Fassl“ traurig in der Ecke hockte und weinte, weil er wusste, dass es von nun an abwärts gehen würde. So war es dann auch: „So Emotional“, das oft im Hintergrund läuft, wurde eine Enttäuschung. Und dann wurde es schlimmer und schlimmer.
Noch einmal sieht man das indizierte Video von „Jeanny“ mit der aufgebahrten schönen Leich‘, ein sehr österreichisches Szenario, und Falco in der Zwangsjacke, das Ende von Hitchcocks „Psycho“ nachstellend. Gegen diese Ballade sträubte Falco sich lange, bevor er den Text um den Lustmord und Wilhelm Wiebens Nachrichtenpassage ergänzte. „Amadeus“ wollte er zunächst nicht singen, weil es so redundant sei wie Holzschuhe bei einem Holländer, und die strubbelige Perücke wollte er auch nicht aufsetzen.
Die „Spurensuche“ ist ebenso unter den sechs DVDS wie die Compilation der Videos, das Donauinsel-Konzert, das Symphoniker-Projekt, Falco als Dichter und die Dokumentation „Hoch wie nie“. Nun ist es aber genug. (Sony) Arne Willander