Joey Ramone – Don’t Worry About Me :: SANCTUARY/ZOMBA

S ANCTU ARY/ZOM B A Es war, als hätten die Nachriditen gesagt: „Donald Duck ist tot.“ Nicht nur, weil Joey Ramone und seine Freunde auf zwei von drei Plattenhüllen als Comicfiguren auftreten. Die Ramones standen immer außerhalb der Alterungs- und Reifeprozesse, mit denen man den langen Weg vom Jung-Punk zum Alt-Punk gern erklärt: So richtig frisch sahen sie nicht mal auf dem Foto zur ersten Platte aus (1976, da war Joey Ramone 25), später versteckten sie die Falten unter den schwarzen Haarbomben – ein ständiger Mittelwert, immun gegen den Verfall. JHow the hell did I get here so soon? I don’t wanna grow up!“ sang der Mann noch mit 44, auf der letzten gemeinsamen Studio-LP ^idios Amigos“ von 1995 (der Song war von Tom Waits). Wie seine Krebs-Krankengeschichte verlief, merkten nur die engen Freunde. Die Welt wurde vergangenen Ostersonntag verständigt: Joey Ramone, eben in New York gestorben. Das ändert alles. Wäre Joey Ramones Solo-Album „Don 7 Worry About Me“ vor einem Jahr herausgekommen, hätten die meisten gesagt: „Hihi, die lustigen Ramones wieder!“ Nun ist das freilich ein Dokument, ein Testament, wie Sie mögen. Ob er wohl wusste, dass er sterben muss? Andeutungen, Ahnungen, wie bei Nick Drake, Townes Van Zandt, dem großen späten Falco? „Sittin‘ in a hospital bed, frustration goin‘ through my head. I want my life! It really sucks!“, kräht Joey Ramone vorlaut aus der Matratzengruft, im Song „I Got Knocked Down (But TU Get Up)“. Ja. Er wusste es. fon März 2000 an stand Freund und Schirmherr Daniel Rey (der die letzPosthum erscheinen die letzten, verstreut aufgenommenen Songs von Joey Ramone tonträgerten paar Ramones-Alben produziert hatte) angeblich Tag und Nacht auf Abruf, damit der kranke Joey Ramone immer aufnehmen konnte, wenn er sich gut genug fühlte. Die Verzweiflung, die schwachen Momente, sie sind nicht drauf auf dem Band. Die Stimme: kein hörbarer Unterschied zum Geburtsschrei in „Blitzkrieg Bop“, keine Spuren von all dem Schnüffelkleber und all der Arznei. Fast gruselig. Die Studiogruppe bestand neben Daniel Rey (Gitarre) aus Bassist Andy Shernoff (von den Veteranen The Dictators) und Schlagzeuger Frank Funaro (Cracker), prominente Specialguests waren die Sängerin Helen Love von der gleichnamigen Waliser Ramones-Imitatoren-Band, Captain Sensible und Drummer Marky Ramone, der 1978 (im ersten von insgesamt 15 Dienstjahren) lernen musste, den von Bassist Dee Dee illusorisch schnell vorgezählten Takt zu treffen. Dagegen ist die Musik hier gemäßigter Rock’n’RolL Höchstens Sex-Pistols-Tempo. „Don’t Worry About Me“ beginnt sogar mit dem Riff von „Pretty Vacant“, dann singt Joey Ramone von grünen Bäumen, roten Rosen, Louis Armstrongs „What A Wonderful World“. Soll wohl ein Witz sein. Mehr Gehalt hat der zweite Gag, eine goldig gequengelte Version vom „1969“ der Stooges mit Wah-Wah-Gitarren-Flipout. Die komödiantischen Züge in vielen der anderen neun Stücke (alle neu und von Joey Ramone) kommen aus der Nostalgie, die schon die ersten Ramones-Platten gefärbt hat: Erinnnerungen an die Zeit, als Rock’n’Roll noch die Narretei brauchte, um die Eltern nicht ganz so zu erschrecken. „MrPunchy“ ist ein Comic-Song mit Wechselgesang und Geträller, der in den späten Fünfzigern auch ins Programm der Coasters gepasst hätte. In „Maria Bartiromo“ erklärt der Sänger einer Fernseh-Börsenreporterin die Liebe, bübisch, ohne Hintergedanken – mehr als einen gemeinsamen Milkshake und ein paar Börsentipps will er offenbar nicht: „What’s happening with Yahoo? What’s happening with AOL? I want to know!“ Das Ganze als Power-Pop, als Punk-Parodie. Davon haben die Ramones-Platten auch gehandelt: vom Verlust dieser Unschuld (Bobby Freemans „Do You Wanna Dance“ und „Surfin‘ Bird“ von den Trashmen haben sie ohne Ironie gecovert), von der Sehnsucht nach unbeschwerter Jugend, die es nicht gibt, weil einen die reichen Söhne nicht mitspielen lassen. Und weil man, paradox, in diesem Club eh kein Mitglied sein will. Darüber hat Joey Ramone noch immer nachgedacht- verbiestert in der Kulturklage „Venting (It’s A Different World Today)“, beklemmend melancholisch in „Searching For Something“, einer musikalischen Landpartie mit stramm geschlagener Akustikgitarre, dem Ausnahme-Song des Albums: die Kurzgeschichte einer NewYork-Aussteigerin, die vor den Drogen in ein rustikales Exil flieht und spirituell erleuchtet heimkehrt. „Everybody loves you, everybody loves you“, sagt sie zu sich selbst. „Don’t worry ‚bout me“, sagt Joey Ramone, im letzten Stück, eigentlich an ein zickiges Darling gerichtet. Die Hinterbliebenen werden es auf sich beziehen, weil ihnen diese letzten Songs sonst nicht viel Trost spenden. Als er starb, war alles fertig aufgenommen. 20 Stücke, heißt es. Fehlen noch neun. Verkauft sie nicht zu teuer, Freunde! JOACHIM HENTSCHEL

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