John Cale – Hobo Sapiens

Ich weiß nicht, weshalb diesem mittelalterlichen Schrat und Wüterich, diesem Romantiker und Spinner niemals größere Ehre zuteil wurde. Schon wahr, seine Musik appelliert nicht an billige Emotionen, seine Sujets sind bizarr, er selbst bleibt undurchschaubar. Der Mann, der „Villa Albani“, „Model Beirut Recital“ und „Dying On The Vine“ geschrieben hat (nur mal als Beispiele), ist eine unheimliche und ungeliebte Figur. So eben noch gilt J>aris 1919″ als Klassiker, .filusic For A New Society“, „Caribbean Sunset“, .. Words For The Dying“, JFragments Of A RainySeason“in den hinteren Regalen wird Cale hoffendich immer einen guten Platz haben.

Womöglich ist Cale auch bloß ein echter Künstler. Wie schon bei der EP „5 Tracks“ benutzte er für „HoboSapiens“ nicht zu knapp Samplings und Loops, allerdings nur als weiteres Instrumentarium und Rhythmus-Sektion, während seine Kompositionen doch dieselben blieben. Die geradezu hysterisch ausgelassene Atmopsphäre von „Hillking On Locusts“ (1996!) hat die Platte zwar nicht, doch dicke Streichertexturen, Stimmen aus dem Off und lärmendes Schlagwerk erinnern ein wenig an David Byrnes aufgeregte Ausflüge in die Wildnis oder Peter Gabriels weltumarmenden Bombast. Bei all dem Ambiente kommen die Songs zu kurz. Und manchmal, noch schlimmer, auch die STIMME, Cales wichtigstes Mittel. In seinen besten Momenten haben Gesang und Klavier immer gereicht.

Ein sperriges Spätwerk ist „HoboSapiens“ aber nicht. Vielleicht ist John Cale endgültig verrückt geworden, vielleicht ist auch einfach alles egal, aber die Lyrik hat mittlerweile Burroughssche Phantasmagorien (oder den reinen Schwachsinn!) erreicht. „The bears are in the bushes and die pope is in Rome/ Fm on a beach in Zanzibar or at least I will be there soon“ oder irgendwie halt, die Vision geht ins Kosmisch-Ungefähre, es kommt nicht mehr so drauf an. In dem großartigen Stück „Archimedes“ setzt Cale sich mit dem Mathematiker gleich und behauptet: „The goodwill goddess passed us by/ We were satisfied with that/ And when you drive down Pacific Palisades you can see he made the desert bloom“ (hier verwechselt er plötzlich das Geschlecht). „There’s been something rattling in the doset trying to get out/ The car antenna’s gone missing.“ Schraube locker! Oder -jetzt aber Schluss – „Reading My Mind“: „The blondes downtown passing the Fontana di Trevi/ 1 wish I had a dollar for everyone.“ Unglaublich: „Bicycle“ ist Ambient mit Frauen-Du-Du und Fahrradklingeln, Cale tanzt! Bei „Letter From Abroad“ scheint im Hintergrund Panjabi MC zu dengeln. Ach, es ist so vieL Zu viel.

Vielleicht der erste TripHop mit Erwähnung von Rene Magritte, Godot und ElGreco.

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