John Hiatt – Crossing Muddy Waters

Archaische Western-Gitarren scheppern sich eins, dass es eine Art hat, ein knisterndes Lagerfeuer… Nein, das habe ich mir nur eingebildet. Aber flinke Mandolinentöne schlängeln hier und da über den feuchten konfoderierten Mutterboden, und auch ein Banjo tänzelt wohl bisweilen ausgelassen. John Hiatt ad fontes. Von dem Roots-Rock der letzten Platten – unvergesslich „Perfectly Good Guitar“ (1993) hat er den Rock fürs erste gestrichen, seine Band in die Wüste geschickt; er selbst hingegen ist in die Sümpfe gegangen, da wo die Mythen an den Bäumen wachsen und man sich die traurigsten Geschichten erzählt.

Etwa die von der Frau, die vor Anbruch des Tages ein Flachboot aus dem Ufergesträuch zieht und ihren Ehemann und ihr Baby verlässt: „She’s crossing muddy waters…“ Und alle werden ihres Lebens nicht mehr froh. Und manchmal, wenn der Fluss besonders viel Wasser führt und wild rauscht und es windig ist – es kann ja ziemlich windig werden da unten -, dann meint man ihr Schluchzen zu hören, nein, man hört es wirklich. Sie weint um Mann und Kind. Und ich will verdammt sein, dieses knarzige, in den höheren Lagen sogar leicht meckrige, aber nie nervige Blues-Timbre Hiatts und diese beiden ganz rudimentären, sich gegenseitig umspielenden Akustik-Gitarren sorgen dafür, dass aus der Kitsch-Prosa, die sie eben bei mir lesen konnten, ein veritables vierminütiges Stück Poesie wird.

Hiatt konzentriert sich hier mal aufs Wesentliche, spielt Country, Bluegrass, Blues und auch schon mal lebenslustigen TexMex, fast vollakustisch – nur bei dem Gospel-affinen „Lift Up Every Stone“ zeigt eine Crunch-Gitarre, wenn auch dezent, ihre Zähne. Und die Produktion ist so roh, ungeschliffen und beinahe intim, wie es solche traurigen Weisen brauchen.

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