John Legend – Once Again

Für das Cover-Foto hat sich John Legend einen blank polierten Flügel in die urbane Kulisse einer amerikanischen Chinatown stellen lassen: Mein Konzertsaal ist die Straße, sagt dieses Bild. Und: Ich mag jetzt ein 27-jähriger, dreifacher Grammy-Preisträger sein, doch ich habe angefangen als Pianist, als Sessionmusiker für Lauryn Hill, Jay-Z und die Black Eyed Peas. „OnceAgain“ klingt dabei nach klassischem Soul und nicht nach dem hierzulande nur unter Teenagern beliebten Derivat R&B. Songs wie „Where Did My Baby Go“ richten sich an erwachsene Besserverdiener, sind anspruchsvolle Feierabendmusik, ein geschmackvolles Spiel mit Traditionen. Überraschend sind hier nur die Qualität des konservativen Songwriting und die Raffinessen der perfekten Arrangements.

Kanye West, Raphael Sadiq, Graig Street und Will.i.am waren unter anderen für die Produktion verantwortlich. Hören kann man das allerdings nicht, denn die 13 Songs wirken wie aus einem Guss. Einer der Höhepunke ist das dezent rockende – von David Torns wunderbarer Gitarre veredelte – „Show Me“: „I realized as I lay down to sleep / We haven’t spoken in weeks“, singt Legend mit einer heiser sinnlichen Stimme und lässt dabei offen, ob er zu Gott spricht oder zu einer Bettgespielin. Das klingt wirklich gefühlvoll und stellt nicht nur eine große Stimme aus, wie es so oft bei den wechselnden „Wunderkindern“ der Retro-Soul-Branche der Fall ist.

Das verliebte „Each Day Gets Better“ kommt angeschlendert wie ein alter Marvin-Gaye-Klassiker. Dezente Bläser, ein paar Congas und ein gekonnter Gospel-Chor – daran werden sich diesen Winter ein paar Millionen potenzieller Käufer wärmen. Das fingerschnippende „Slow Dance“, das auch genauso gut von Sam Cooke stammen könnte, setzt auf die kleinen Fluchten eines kleinen Tänzchens.

Perfektion ist das Einzige, was man „Once Again“ vorwerfen kann. Alles sehr gewienert hier, unheimlich ausgewogen. Jüngere, weniger Soul-affine Hörer werden Songs wie „Maxine“ schnulzig finden. Aber zur Beschallung des gehobenen urbanen Mittelstands ist das schon ziemlich gelungen. Schenkst du mir noch einen Schluck Barolo nach, Schatz?

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