John Lennon :: Anthology

Seit Jahren ist die Veröffentlichung bisher unbekannter Stücke von John Lennon angekündigt. Bis dato war nur einem kleinen, exklusiven Kreis der Einblick in das private Archiv von John und Yoko erlaubt. Schon vor längerer Zeit indes wurden viele unveröffentlichte Songs, Home-Demos und alternative Aufnahmen in einer vielteiligen Serie mit dem Titel „The Lost Lennon Tapes“ vom US-Rundfunksender Radio Westwood One zugänglich gemacht Und, wie nicht anders zu erwarten: Der harte Kern der Sammler konnte alsbald auch in Deutschland das eine oder andere Kleinod in Vinyl oder auf CD gepreßt erwerben – ein Bootleg, versteht sich.

Die jetzt vorliegende 4-CD-Box deckt das Schaffen von Lennon nach der Auflösung der Beatles vom Jahr 1970 bis zu seinem Tod 1980 ab. Wer nun freilich annimmt, eine weitere Zusammenstellung altbekannter Stücke vorzufinden, sieht sich getäuscht. Hier hat nämlich Yoko Ono, die auch den Großteil des Begleitheftes zu verantworten hat, einen Griff in die Archive getan, und so finden sich nur unveröffentlichte Stücke in der Box – wobei viele dieser Songs natürlich vertraut sind und auch die fersionen nicht immer dramatisch differieren. Ein winziges Rudiment von „Mind Games“ allerdings ist doch eher eine traurige Angelegenheit (oder eine verzichtbare). Die Qualität schwankt zwischen ausgereiften Studioaufnahmen und Live-Mitschnitten und Mo noaufhahmen mit dem heimischen Kassettenrecorder. Dennoch lohnt sich in den meisten Fällen das Hinhören macht bloß einige Mühe, die von den besten Tracks vergolten wird. Eine Offenbarung, die eine neue Lennon-Exegese nötig machte, ist die ^4nthofogy“ definitiv nicht Gelungen, dies nebenbei, ist die Artwork mit Photos und Zeichnungen von Lennon.

Die erste CD präsentiert Aufnahmen, die in England entstanden sind -John und Yoko waren nach Tittenhurst Park bei Ascot gezogen. Neben den Stücken mit der Plastic Ono Band ist zu dieser Zeit die LP Jmagine“entstanden, „Mother“, eine Art musikalische Urschreitherapie für Lennon und die Verarbeitung seines Kindheitstraumas, findet sich hier in einer frühen, kraftvollen Fassung. Jealous Guy“ macht deutlich mehr Spaß als die spätere, schwülstige Version von Bryan FerDer zweite Zeitabschnitt ist der Neubeginn der Familie Lennon in New York. Hier entstand das 1972 veröffentlichte Doppelalbum ,Jknne Titneln NewYorkCity“,naAJ>lasticOnoBand“

wohl Lennons wichtigstes. Die Live-Aufnahmen aus dem „One-to-One“-Konzert im August 1972 dokumentieren einen ausgeglichenen John Lennon, der ja seit dem letzten Konzert der Beatles im August 1966 nur noch selten auf der Bühne zu sehen war. Besondere Raritäten sind die Demos von „Tm The Greatest“ und „Goodnight Vienna“, die Lennon für den notorisch glücklosen Ringo Starr geschrieben hat (und die Ringo immerhin einen bescheidenen Erfolg brachten).

Die dritte CD deckt den Zeitraum des „Lost Weekend“ ab. Lennon hatte sich im Herbst 1973 für ein langes Wochenende – es dauerte dann allerdings rund 18 Monate – von Yoko getrennt Während dieser Zeit trank John mehr als einmal einen über den Durst und mischte so manchen Nachtclub in L.A. mit seinen Kumpels auf. Doch es war, wie sogar Yoko heute betont, auch eine produktive Zeit: John veröffentlichte „MUs And Bridges“ und Jiock’n’Roü“, eine Sammlung rauher Oldies. Sind schon diese Alben weit unter Lennons Möglichkeiten, so sind die entsprechenden Session-Ausschnitte der ^Anthology“ oft genug schwer erträglich.

Die letzte CD dokumentiert den „sanften Familienvater“, dessen Leben sich ganz wesentlich um Sohn Sean drehte. Enthalten ist hier neben schönen Fassungen bekannter Songs von JDouble Fantasy“ und „Milk And Honey“ der größte Moment dieser Sammlung: „I’m Losing You“ in einer unerwartet rockigen Version.

Yoko hat mit der Box einen tiefen Einblick hinter die Kulissen erlaubt, der aber wohl in erster Linie von eingefleischten Lennon-Fans oder Musikhistorikern gewürdigt werden wird. Wer die „Lost Lennon Tapes“ gehört hat, der weiß, wieviel unveröffentlichtes Material noch in den Schränken ist Doch Yoko Ono sagt nein. Und wahrlich, es ist an Substanz nichts hinzuzufügen. 3,5

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