John Martyn – Solid Air
„Grace & Danger“ konnte John Martyns „Blood On The Tracks“ nur werden, weil er sieben Jahre zuvor den mit „Solid Air“ als sicher erwarteten Durchbruch bei einem breiteren Publikum nicht schaffte. Alle Facetten seines Talents waren hier endlich in einem Meisterwerk vereint zu finden. Ob das ein sprichwörtlich schlackenloses war, interessierte nicht einmal. Ähnlich müßig ist posthum auch jede Diskussion darüber, welche der beiden Platten denn nun als seine größere zu gelten hat. „Solid Air“ entstand nicht unter einem auch nur entfernt vergleichbaren emotionalen Hochdruck wie die zentralen Songs der späteren, unter dem Eindruck der zerbrochenen Ehe aufgenommene Platte von 1980.
Ein zu dem Zeitpunkt noch weitaus selbstbewussterer John Martyn konnte sich jederzeit der Protektion von Island-Boss Chris Blackwell sicher sein. Dass die Platten immer ein wenig „quersubventioniert“ waren, bekümmerte ihn nicht im mindesten. Anders als der von Zweifeln geplagte Kollege Nick Drake lebte er in dem Glauben, dass er mit seiner stark durch Jazz-Elemente unterfütterten Folk Music richtig erfolgreich sein könnte.
Wie wenig sich Martyn unter irgendeinem kommerziellen Druck fühlte, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass er sich mit seiner Elite von Session-Begleitern – Danny Thompson, Richard Thompson et al. – mehr als ein halbes Jahr Zeit für die neun Aufnahmen nahm, dabei hörbar jederzeit größten Wert auf tolle Klangqualität legend, was Mixes und Arrangements anging, und auch mal gänzlich andere Wege einschlagend, als man sie sonst von Joe Boyd und John Wood bzw. den von ihnen betreuten Künstlern gewohnt war. Am Ende fiel er mit dem avantbluesigen „I’d Rather Be The Devil“, dem jazzfolkrockigen „Dreams By The Sea“, anderswo mit Bossa Nova flirtend oder bei „Over Hill“ mit Richard Thompson an der Mandoline in Folk-Wonnen schwelgend, überhaupt mit der ganzen Platte stilistisch zwischen alle Stühle. Noch das schlichteste Arrangement hier (wie Martyn und Thompson an Gitarre und Kontrabass bei „Go Down Easy“) fesselt durch ganz große Finesse. In der Reduktion liegt hier große Kunst, wie die längere Alternativ-Fassung unter den Zugaben der zweiten CD beweist. Diese Bonus-Tracks sind von ganz erlesener Qualität.