John Scofield – Piety Street
Mal abgesehen vom ewigen Lobgepreise, dem haltlosen Dankgesage, der Unsäglichkeit des „prey and obey“, gibt es gute Gründe für Jazz- und andere Musiker, sich auf die „Straße der Frömmigkeit“ zu begeben: höllische (sic!) Grooves, Steilvorlagen für ekstatischen Gesang, mordsmäßiges Repertoire an kirchenerprobten Klassikern, die auch in (am Ende gar verrauchten) Clubs funktionieren.
Jazz-Gitarrist John Scofield, der sich ja immer mal wieder gern neu erfunden hat, wollte „schon seit Ewigkeiten ein Bluesprojekt durchziehen“. Aber es sollte nicht die konventionelle Zwölf-Takte-Variante sein. Also besann er sich auf traditionelle Gospelsongs von Reverend James Cleveland oder Mahalia Jackson, um sie ziemlich nah am R&B anzusiedeln. „Sco“ hat dafür mit Sänger John Boutte eigens eine Band zusammengesucht. Jon Cleary (Bonnie Raitt u.v.a.) singt auch, vor allem aber spielt er Piano und Hammond, ersteres besonders eindrücklich auf „It’s A Big Army“. Bleibt am Bass George Porter Jr., der mit Dr. John oder Willy De Ville ebenso unterwegs ist wie mit den Meters, Robert Palmer, David Byrne. Kurios auch, dass Drummer Ricky Fataar in den frühen Siebzigern bei den Beach Boys beschäftigt war. Percussionist Shannon Powell kommt aus nahe liegenderem Umfeld: Harry Connick Jr., Blind Boys Of Alabama.
Kein sonderlich frommer Haufen also, und das Repertoire reicht von Country („That’s Enough“ aus dem Repertoire von Johnny Cash, „Angel Of Death“ von Hank Williams und Scos lustvoll traditionsbraver Rauswerfer „I’ll Fly Away“) über Klassiker wie „His Eye Is On The Sparrow“ oder „Sometimes I Fell Like A Motherless Child“ (hier mit Reggae-Finale) bis zu purem R&B („Something’s Got A Hold On Me“ mit Wah-Wah-Solo).
Aus Gospel-Perspektive ist die Unternehmung stark auf Grooves a la New Orleans fixiert. Chorgesang gibt’s nur bei „Big Army“. Scoflelds „Piety Street“ führt ohne Umwege zu einem Kreisverkehr, von dem keine Straße zur Kirche abgeht. Stattdessen zum Club, nach Nashville, vor allem aber immer wieder in den tiefen Süden.