Josh Roseman – Cherry

Wenn Jazz eine Religion ist, dann ist Josh Roseman ein Sünder.“ Greg Täte übertreibt nicht bei seinen Linernotes, in denen er gegen die „Propheten vom Berge Berklee“ anstinkt mit der Feststellung, dass der Jazz solche Sünder heutzutage mehr braucht denn je. Verstoß gegen sämtliche Marsalis-Gebote ist auf „Cherry“ Programm. Schon der Start mit der Leiber/Stoller-Nummer „Don’t Be Cruel“ im wunderbar zickigen Ska-Gewand (Josh pflegt den Ska-Jazz mit Peter Apfelbaum in einem Ensemble namens Exodus) wird zum Anschlag des Posaunisten auf alles, was Priestern der afroamerikanischen klassischen Musik heilig ist. Sollte der gediegene Swing des darauf folgenden Lennon/McCartney-Songs „If I Fell“ selbst Bigband-Fans ein wenig versöhnen, so sorgt eine Real-Heavy-Version von „Kashmir“ dafür, dass gleich anschließend der Band-Zeppelin weit über gängige Jazz-Gefilde abhebt.

Auch die Brass Fantasy seines unlängst verstorbenen, hier aber noch

quicklebendigen Mentors Lester Bowie, mit der Josh Roseman in den 90er Jahren viel unterwegs war, lässt der Posaunist hier konsequent hinter sich: Powerdrumming, wüste Gitarre, das hat so gar nichts Gepflegtes. War auch nicht zu erwarten bei der Besetzung seiner Little Big Band mit John „Martin 8C Wood“ Medeski an den Keyboards, David „Punk Jazz“ Fiuczyynski an der Gitarre, Ari Hoenig und Joey Baron als Schlagzeugern und als Mastermind einem Posaunisten, der von Mahler über ,Jungle Music For Post-Moderns“ mit Don Byron und „Sanctified Shell Music“ im Muschel-Ensemble seines Kollegen Steve Turre schon jede Menge Erfahrungen der außergewöhnlichen Art gesammelt hat.

Trotz alledem ist Josh kein auf Teufel komm raus Ausgeflippter. Sein warmer, runder Posaunenton würde auch im Lincoln Jazz Center oder beim edlen Jazz-Brunch begeistern, hätte Josh nicht beschlossen, ihn an Aventgarde-Pop-Jazz-Yersionen eigenwilliger Songs von Sun Ra (mal schweineorglig, mal walzerselig) oder Nirvana (ein noisiges „Smells Like Teen Spirit“) zu „verschwenden“. Selbst Ray Anderson war in seinen jungwilden Jahren berechenbarer als jener „Kirschgeist“.

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