Junta von Marco Bechis :: (Start 3.7.)

Einmal bringt er ihr ein gegrilltes Hähnchen vom Imbiss mit. Gemeinsam sitzen sie schweigend auf der Pritsche und essen. Es sei gut, sagt sie dann, aber sie möge gekochtes Huhn doch lieber. Er auch, antwortet der Mann.

Diese Belanglosigkeit hat eine entsetzliche Bedeutung. Maria (Antonella Costa) sitzt in einer Zelle der argentinischen Geheimpolizei. Rückblende: Am Morgen kommen die Männer in die alte Stadtvilla ihrer Mutter Diane (Dominique Sanda). Sie tragen Maschinenpistolen, zeigen Militärausweise vor. Die Formalität ist flüchtig, ruppig durchstöbern sie das Haus. Mit verbundenen Augen wird Maria in einen Wagen gezerrt. Im Wegfahren ruft einer der Männer Diane zu, ihre Tochter werde auf das Polizeirevier 31 gebracht. Dort kommt sie nicht an, sollte sie nie ankommen. Als Diane mit einem wenig interessierten Polizisten spricht, erscheint Ana (Chiara Caselli). Sie sucht ihren Mann und erzählt die selbe Geschichte. Diane gibt eine Vermisstenan zeige auf.

„Desaparecidos“ nannte man diese Menschen zur Zeit der Militär-Junta, die Verschwundenen. 30 000 sollen zwischen 1976 und 1983 nie mehr aufgetaucht sein, nachdem sie am hellichten Tagt von paramilitärischen, zivil gekleideten Gruppen des Regimes abgeholt worden sind. Darunter auch die Deutsche Elisabeth Käsemarin, auf deren Schicksal die Figur Maria lose basiert.

Maria ist Studentin, lehrt nebenbei Lesen und Schreiben im Armenviertel von Buenos Aires und gehört einem konspirativen Kreis an. Die Entführer fahren sie zu einer ehemaligen Autowerkstatt, der Garage Olimpo, irgendwo in der Hauptstadt. Maria soll Namen nennen und wird in ein Kellergewölbe geschleppt- den „Operationssaal“. Sie muss sich nackt ausziehen, wird beschimpft und in einem winzigen Raum auf einen Tisch geschnallt. Eine Metalltür wird quietschend zugeschoben. Im Radio läuft die Übertragung eines Fußballspiels.

Regisseur Marco Bechis, 46, zeigt die Folterungen nicht. Man sieht die bestialischen Qualen der Gefangenen allenfalls vage über Monitore oder ihre geschundenen Körper, wie sie apathisch in dunklen Nischen an Ketten hängen. Statt dessen nutzt er häufig Stille oder kleine Geräusche und betont die Brutalität und bizarre Atmosphäre mit bürokratischen Abläufen und Privatsachen der Peiniger. Bei Schichtwechsel tragen sie sich mit Lochkarten aus, spielen Tischtennis in den Pausen, telefonieren mit ihren Familien oder machen Geschäfte mit den Wertgegenständen ihrer Opfer. Einer lässt sich sogar das Grundstück von Diane überschreiben, damit sie Maria sehen kann.

Bechis selbst war als „linker Aktivist“ zehn Tage in einem der 365 geheimen Todeslager der Folter ausgesetzt und wurde schließlich des Landes verwiesen. Das Drehbuch schrieb er allerdings erst nach einer Reise durch Bosnien. Die dortige Normalität im Angesichts des Horrors ist ebenso beklemmend wie die Gewalt selbst.Jeder Eisverkäufer kann ein Massenmörder sein. In .Junta“ entpuppt sich einer der Folterer als Untermieter von Diane. Felix (Carlos Echeverria) ist in Maria verliebt. Das erleichtert ihre Lage zeitweilig, aber letztlich bleibt es Eigennutz. Sie könne noch nicht Trinken, sagt er einmal. Ihr Körper sei von den Stromstößen der Folter aufgeladen wie eine Batterie. Wenn er ihr jetzt Wasser gebe, werde sie gegrillt.

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