Justin Currie

Lower Reaches

Ignition/Indigo

Wollten wir nicht immer schon einmal wissen, wie genau man einen Song schreibt? „The first line must be brief but strong, and the second line should rhyme with something in your baby’s heart“, doziert Justin Currie und greift damit das „Nothing Ever Happens“ -Thema seiner ehemaligen Band Del Amitri wieder auf. Denn am Ende des Tages schält sich heraus: „Every Song’s The Same“. Glücklicherweise bewahrheitet sich das im Falle seines dritten Soloalbums nicht. Der Glaswegian mag keine simplen Beziehungsgeschichten, kein „Entweder-oder“ und strukturiert seinen Songreigen widernatürlich: Er be­ginnt mit einer Beerdigung und endet mit einer Hochzeit. 

Manchmal aber werden Songs ganz anders, als sie vielleicht hätten sein können. Currie zog sich für den kreativen Prozess zunächst auf die schottische Insel Skye zurück, bevor er mit dem Material nach Austin in Texas reiste, Mike McCarthy (Craig Finn, Spoon, … And You Will Know Us By The Trail Of Dead) um seine Produktionsideen bittend. Der hatte mit Musikern von White Denim, Phosphorescent und den Heartless Bastards gleich die richtigen Leute parat, die zu Currie passten. „Lower Reaches“ allerdings war somit der Interaktion einer richtigen, Country-Rock-inspirierten Band preisgegeben und hatte keine Chance mehr auf eine Existenz als besonnenes Singer/Songwriter-Werk. Die funkelnden Rohdiamanten von der Insel Skye glänzen immer noch ein bisschen, aber schon eine ganze Spur matter: Immer schiebt sich irgendeine Drum Machine, ein Pluckern, ein Windgeräusch, eine singende Säge in den Vordergrund, die den Blick aufs Wesentliche trübt. Insbesondere beim bezaubernden „Priscilla“ möchte man am liebsten selbst noch einmal nachträglich ans Mischpult hechten.

Tröstlich, dass jemandem wie Altmeister Jimmy Webb keiner etwas in Sachen Songwriting vormachen kann. Er adelte Currie unlängst, indem er ihn neben Brian Wilson und Kris Kristofferson für sein kommendes Duett-Album auserwählte.